Görlitz: Stadtgeschichte

Görlitz wurde zum ersten Mal im Jahre 1071 urkundlich erwähnt. Die Stadt lag an der so genannten Via Regia (dt. Königliche Straße), einer alten Handelsstraße, die im Zusammenhang mit der königlichen Zentralgewalt bedeutend war und ihre Ursprünge im 8. Jahrhundert hat. Seit dem 14. Jahrhundert indes besitzt sie keine königliche Funktion mehr.

Görlitz erhielt von König Johann von Luxemburg und von Kaiser Karl IV. (1316-1378) viele wichtige städtische Privilegien. Dazu gehörten u.a. das Münz-, das Straßen- und das Braurecht. Die Stadt gehörte zur Markgrafschaft Oberlausitz und zum Oberlausitzer Sechsstädtebund, der aus den Städten Bautzen, Görlitz, Kamenz, Löbau, Lauban und Zittau bestand.

Eine erste Blütezeit erlebte Görlitz im ausgehenden Mittelalter und mit Beginn der Neuzeit, als sie einen führenden Platz als Gewerbe- und Handelszentrum einnahm und sich in ihrer Bedeutung zwischen Leipzig und Breslau einordnen konnte. Die Stadt wurde reicher, erlangte bedeutendes militärisches Gewicht und eine nicht selbstverständliche politische Stabilität. All diese Vorzüge ließen Görlitz zu einem geachteten Verbündeten der Landesherren werden.

Um 1525 kam die Reformation nach Görlitz und setzte sich nach und nach durch. Diese Entwicklung führte dazu, dass Görlitz im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts eine rein protestantische Stadt war. Im Zuge der reformatorischen Kämpfe kam es im Sommer 1547 zum Oberlausitzer Pönfall, durch den auch Görlitz betroffen war. Dieser Pönfall meint die Bestrafung des Oberlausitzer Sechsstädtebundes durch den böhmischen König Ferdinand I.

Die erste Blütezeit von Görlitz schwand im Zusammenhang mit den Kriegen um eine europäische Vorherrschaft. So trug die Stadt schwer an den Schäden, welche der Dreißigjährige Krieg (1618-1648), der Nordische Krieg, oder die Kriege um Schlesien unter Friedrich II., dem Großen, oder die Napoleonischen Eroberungskriege mit sich brachten. Im Jahre 1635 fiel Görlitz an Sachsen. Den kaiserlichen und sächsischen Truppen gelange es aber während des Dreißigjährigen Krieges nicht, die von den Schweden besetzte Stadt im Jahre 1641 zu erobern.

Im 18. Jahrhundert gründete sich in Görlitz die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften, deren erlesene Bestände dann nach dem Zweiten Weltkrieg in der neu gegründete Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften aufgingen. Einen zweiten Aufschwung durfte Görlitz schließlich im 19. Jahrhundert wieder erleben. 1816 kam Görlitz zu Schlesien, einer preußischen Provinz. Außerdem wurde Görlitz Sitz eines gleichnamigen Landkreises. Die Entwicklung auf industriellem und kommunalem Gebiet brachte eine bemerkenswert dynamische Entwicklung in die Stadt. Görlitz wurde mehr und mehr zu einem wirtschaftlichen, politischen und intellektuellen Zentrum der preußischen Oberlausitz. In der Stadt bildete sich eine starke Konzentration von administrativen und Justizgebäuden heraus.

War die Einwohnerzahl von Görlitz im Mittelalter und der Neuzeit nur wenig gestiegen und in Folge von Kriegen, Epidemien und Hungersnöten immer wieder vermindert worden, so setzte mit dem Zeitalter der Industrialisierung im 19. Jahrhundert ein beschleunigtes Bevölkerungswachstum ein. Allein von 1815 bis 1900 hatte sich die Stadtbevölkerung fast verzehnfacht.
Auch die Verkehrswege für Kraftfahrzeuge und die Eisenbahn bündelten sich in Görlitz, so erhielt die Stadt beispielsweise im Jahre 1847einen Bahnanschluss nach Dresden. Außerdem wurde sie über eine Zweigbahn mit der Strecke von Berlin nach Breslau und 20 Jahr später mit Berlin verbunden. Dabei war der Berliner Görlitzer Bahnhof im Stadtteil Kreuzberg gelegen und Anfangspunkt der Zugstrecke zwischen Berlin und Görlitz - über Cottbus. Den Bahnhof selbst gibt es nicht mehr; dort liegt heute der Görlitzer Park. Obwohl Görlitz auch weiterhin der Sitz des gleichnamigen Landkreises blieb, wurde die Stadt 1873 zu einem eigenen Stadtkreis.

Die Lebensqualität der Stadt stieg im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert erheblich. Zahlreiche industrielle Großbetriebe und viele kleinere Unternehmen siedelten sich in Görlitz an, vergrößerten sich und boten Arbeitsplätze und Wohnmöglichkeiten. Auch vermehrten sich die Bankhäuser, die Hotels, Geschäftshäuser und Restaurants der Stadt.

Vom 18. bis zum 24. September 1921 fand in der Stadt der Parteitag der SPD statt, auf dem das Görlitzer Programm verabschiedet wurde, in dem das Programm von Gotha aus dem Jahr 1891 ersetzt wurde. In dem Programm bekannte sich die SPD ausdrücklich zur Weimarer Republik und legte die Grundlagen für eine linke Volkspartei, die sich auch außerhalb der klassischen Arbeiterschaft um Zustimmung und Wähler bemühte. Es wurde aber bereits 1925 durch das Heidelberger Programm ersetzt.

Unter den Nationalsozialisten wurde in Görlitz 1944 ein Nebenlager des Konzentrationslagers Groß-Rosen errichtet. Im Februar des Folgejahres deportierte man die etwa 1.400 Häftlinge kurze Zeit nach Rennersdorf - 35 Kilometer von Görlitz entfernt. Von dort kamen sie im März 1945 wieder nach Görlitz zurück, um an der Aushebung von Schützengräben und der Errichtung von Panzersperren zu arbeiten. In der Zeit zwischen 1944 und 1945 wurden im Nebenlager Görlitz mehr als 400 Juden aus Polen, Ungarn, Tschechien und Russland ermordet.

Für eine kurze Zeitspanne wurde Görlitz im Jahre 1949 zur Großstadt, was an der großen Anzahl Vertriebener aus den deutschen Ostgebieten lag. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fand die europäische Neuordnung statt. Diese sah für Görlitz vor, dass die Stadt entlang der Oder-Neiße-Grenze geteilt werde. Dies hatte zur Folge, dass der westlich der Neiße gelegene Teil bei Deutschland blieb und der östlich gelegene unter dem Namen Zgorzelec an Polen fiel. Görlitz bzw. der westliche Teil der Stadt fiel an das Land Sachsen und nach dessen Auflösung im Jahre 1952 an den Bezirk Dresden.

Der Freistaat Sachsen wurde nach dem Ende der DDR wieder als Bundesland der Bundesrepublik gegründet. Görlitz wurde eine kreisfreie Stadt und befand sich im neu gebildeten Regierungsbezirk Dresden. 1994 fand die Kreisreform statt, in deren Zusammenhang der Landkreis Görlitz im neu gegründeten Niederschlesischen Oberlausitzkreis aufging. Nachdem Görlitz zunächst Kreissitz geworden war, wurde der Stadt dieser Status im Rahmen einer Verfassungsklage aberkannt. Diese Klage hatte sich dagegen gerichtet, dass Görlitz zur gleichen Zeit kreisfreie Stadt und Kreisstadt war. Nach der verfassungsrechtlichen Klärung ging der Kreissitz an Niesky, eine Kleinstadt in der Oberlausitz.

Nach der Wende waren im Zuge der nun einsetzenden Bau- und Restaurationsvorhaben zahlreiche Investoren nach Görlitz gekommen und hatten für einen unglaublichen Aufschwung in der Stadt und im Stadtbild gesorgt. Eine langsame Annäherung führte auch die ehemals zusammengehörigen Städte Görlitz und die polnische Schwesternstadt Zgorzelec zusammen. Diese leben den europäischen Gedanken, wollen Grenzen überwinden und treten seit den 1990ern als eine Europastadt auf. Beide Städte bewarben sich gemeinsam als eine Stadt für das Jahr 2010 um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt, worin sie viele engagierte Bürger und Bürgerinnen und Firmen der Region unterstützten. Indes wurde Essen als Vertreterin des Ruhrgebietes zur Kulturhauptstadt 2010 gewählt, wohingegen aber Görlitz immerhin den sehr guten zweiten Platz belegte.

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