Siedlungen der Moderne

Einführung

Auf ihrer 32. Sitzung am 7. Juli 2008 in Quebec/Kanada nahm die Unesco die "Siedlungen der Moderne" in Berlin in den Kreis der UNESCO-Weltkulturerbestätte auf. Es ist das erste Mal, dass "normale" Wohnsiedlungen von der Unesco mit dem Prädikat "Weltkulturerbestätte" ausgezeichnet wurden. Die anderen UNESCO-Welterbestätten von Berlin finden Sie unter UNESCO-Welterbestätten von Deutschland


Hier gilt mehr als bei anderen Weltkulturerbestätten, dass Authenzität vor Ästhetik geht. Die sechs Siedlungen waren seinerzeit geradezu sensationell, da es das erste Mal war, dass auch für sozial schwache Bevölkerungsschichten schöne und moderne Wohnungen geschaffen wurden. Die Wohnungen besaßen fließendes Wasser, eine Zentralheizung und Küche und Bad. Teilweise an Parks erinnernde Grünanlagen lockerten die Wohnanlagen nicht nur auf - nein - sie waren auch ein Ort der Erholung und Erbauung für die dort lebenden Menschen.

Die offizielle Begründung für die erfolgreiche Bewerbung des Landes Berlin lautete im Kern:
"....Wegen der weltweiten Bedeutung des Berliner Siedlungsbaus der 1920er-Jahre für die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts."

Bei den sechs Siedlungen in einer Reihe verschiedener Bezirke der Stadt handelt es sich um Wohnsiedlungen aus der Zeit von 1913 bis kurz nach dem Beginn der NS-Zeit im Jahr 1933/34. Als Architekten wirkten u.a. so bekannte Vertreter der Moderne mit wie:
Hans Bernhard Scharoun
Walter Gropius
Otto Bartning
Hugo Häring
Bruno Taut
Martin Wagner
Heinrich Tessenow


In den sechs Siedlungen leben derzeit zusammen rund 11.000 Menschen.

Siedlung Schillerpark

Diese im Bezirk Mitte im Ortsteil Wedding, in der Nähe der Charite - Standort Wedding - liegende Siedlung wurde in den Jahren 1924 bis 1930 von Bruno Taut (1880-1938) errichtet. Die Siedlung ist nicht allzu weit von der "Siedlung Weiße Stadt" entfernt. Taut orientierte sich an niederländischen Architekten und dabei besonders an den Backsteinbauten Amsterdams. Die Grünanlagen und Freiflächen stammen von Bruno Taut selber und ab 1954 von dem Berliner Gartenbau-
architekten Walter Rossow.

Die Komplettierung der Siedlung nach dem 2. Weltkrieg fanden durch den jüngeren Bruder Max Taut (1884-1967) und Hans Hoffmann (1897-1957) in den Jahren 1951 bis 1957 statt. Dabei ist zu bemerken, dass die Siedlung den Krieg mit nur wenigen Zerstörungen überstanden hatte. Lediglich ein Haus am Ende der Bristolstraße wurde nach dem Krieg neu und wenige Meter höher erbaut, so dass es die Namen ironisch gemeinte Bezeichnung "Hochhaus" erhielt. Die Siedlung umfasst 303 Wohnungen mit rund 740 Bewohnern - auf einer Fläche von 4,6 ha. Es ist eine reine Wohnsiedlung praktisch ohne Läden, Kneipen oder Kleingewerbe. Die Größe der Wohnungen reicht von 1 1/2- bis 4 1/2-Zimmerwohnngen. Gegenüber den Häusern an der Bristolstraße liegt der weitläufige Schillerpark. In einer Reihe der Hinterhöfe wurden leider in den 1950er-Jahren querstehende Rauhputzhäuser integriert. Die Siedlung ist u.a. mit der U-Bahnlinie 6 - Bahnhof Rehberge - zu erreichen. Derzeit leben dort rund 740 Menschen.

Straßen an bzw. in der Siedlung (alphabetisch)
Barfusstraße
Bristolstraße
Corker Straße
Dubliner Straße
Oxforder Straße
Windsorer Straße

Siedlung Weiße Stadt

Diese im Bezirk Reinickendorf - in der Nähe der Siedlung Schillerpark - liegende Siedlung wurde in den Jahren 1929 bis 1931 unter der Federführung der Architekten Otto Rudolf Salvisberg (1882-1940), Bruno Ahrends (1878-1948) und Wilhelm Büning (1881-1958) errichtet. Damit wurden für die sozial schwächeren Menschen der Stadt, die meist in gräßlichen Mietskasernen mehr hausten als lebten, moderne Wohnungen mit Küche, Bad und Toilette sowie zentraler Heizung geschaffen.

Das Ensemble umfasst 1.268 Wohnungen auf einer Fläche von 14,3 ha. Derzeit leben dort rund 2.100 Menschen. Die Wohnungen besitzen eine Größe von 1 bis 3 1/2 Zimmer. Anfangs gab es in der Siedlung 25 zerstreut gelegene Läden, ein Café, eine Arztpraxis sowie ein Heizkraftwerk mit einer angeschlossenen Wäscherei. Diese wurden aber Ende der 1960er Jahre abgerissen.

In den Jahren 1949 bis 1954 wurde die teilweide zerstörte Siedlung unter der Beratung von Wilhelm Büning nach den alten Vorbildern wieder aufgebaut und die erhaltenen Gebäude grundrenoviert. Derzeit befinden sich in dem Wohn-Komlex u.a. ein Imbiss in Form einer Pizzeria, ein Elektrikladen, ein Umzugsladen, ein Schreibbüro, ein Friseur und eine Apotheke. Das über die Aroser Allee querstehende Gebäude der Siedlungsanlage macht leider auf den ersten Blick den Eindruck eines Sozialpalastes. Die vierspurige Aroser Allee zerschneidet außerdem die Siedlung, wird aber durch den Querbau optisch und faktisch miteinander verbunden.

Es sei angemerkt, dass sich die Siedlung dem architetonischen Laien nicht unbedingt sofort als eine besondere oder gar besonders schöne Architektur erschließen wird. Die Siedlung ist u.a. mit der U-Bahnlinie - Bahnhof Paracelsus Bad - zu erreichen.

Straßen an bzw. in der Siedlung (alphabetisch)
Aroser Allee
Baseler Straße
Bieler Straße
Emmentaler Straße
Genfer Straße
Gotthardstraße
Ramanshorner Weg
Schillerring
Sankt-Galler-Straße

Wohnstadt Carl Legien

Diese im Bezirk Pankow im Ortsteil Prenzlauer Berg liegende Wohnstadt wurde in den Jahren 1928 bis 1930 von den beiden Architekten Bruno (Julius Florian) Taut (1880-1938) und Franz Hilinger errichtet.

Wenn man mit dem Kfz. aus Richtung Alexanderplatz anreist, findet man die Siedlung (Wohnstadt) Carl Legien, indem man auf der Prenzlauer Allee einige hundert Meter hinter dem S-Bahnhof Prenzlauer Allee rechts in die Erich-Weinert-Straße einbiegt. Nach wenigen Hundert Metern hat man die Siedlung dann erreicht. Wer mit Hilfe des öffentlichen Nahverkehrs anfährt, kann dies bequem mit der S-Bahnlinie tun. Man steigt dann am Bahnhof Prenzlauer Alle aus und geht noch einige Hundert Meter zu Fuß bis zur Erich-Weinert-Straße.

Ihren Namen erhielt die Wohnstadt nach Carl Legien (1861-1920), der von 1890 bis 1919 Vorsitzender der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands und ab 1919 der Vorsitzende des Allgemeinen Deuschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) war. Er war durch die Ausrufung des Generalstreiks maßgeblich an der Niederschlagung des Kapp-Putsches von 1920 beteiligt.

Die Wohnstadt, die sich in einem hervorragenden Zustand befindet, umfasst 1.149 Wohnungen auf einer Fläche von 8,4 ha. Bauherr war die Gemeinnützige Heimstätten-Spar- und Bau AG (GEHAG. Von etwa 1995 bis 2004 wurde das Ensemble unter Beachtung des Denkmalschutzes renoviert und saniert. Derzeit leben dort rund 1.200 Menschen. Es gibt an der Ecke Erich-Weinert-Straße Sodtkestraße ein Sportstudio, eine Bäckerei und eine ambulante Hauskrankenpflegestation. Die wunderschönen Gartenanlagen zwischen den Häuserblocks wurden wahrscheinlich auch von Bruno Taut konzipiert und werden von den heutigen Bewohnern zum Spielen, Grillen oder auch nur zum Entspannen gerne genutzt.

Straßen an bzw. in der Siedlung (alphabetisch)
Erich-Weinert-Straße
Georg-Blank-Straße
Gubitzstraße
Küselstraße
Lindenhoekweg
Sodtkestraße
Sültstraße
Trachtenbrodtstraße

Großsiedlung Siemensstadt - Ringsiedlung

Allgemeines
Die Region der heutigen Siemensstadt war bis 1897 ein Wiesen-, Wald- und Sumpfgebiet - also eine Art Wildnis. Da es im damaligen Berlin keine größeren freien Flächen für Industrieansiedlungen mehr gab, begann die Fa. Siemens 1897 hier mit dem Bau eines Kabelwerks, das bereits 1899 fertig gestellt war. In den Hochzeiten waren in allen Siemenswerken dann bis zu 66.000 Menschen beschäftigt, heute sind es nur noch etwa 11.500.

Die Großsiedlung
Die im heutigen Bezirk Spandau und Charlottenburg-
Wilmersdorf liegende Siedlung wurde in den Jahren 1929 bis 1931 - der letzte Teil von 1933 bis 1934 - unter den Architekten Bernhard Hans Bernhard Scharoun (1893-1972), Paul Rudolf Hennig (1886-1986), Otto Bartning (1883-1959), und Hugo Häring (1882-1958) und Fred Forbat (1897-1972 ) errichtet. Den Auftrag zum Bau der Siedlung erteilte die Stadt Berlin, um auch den sozial schwachen Bürgern ein schönes und vor allem menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen. Derzeit leben in der Großsiedlung rund 2.800 Menschen, von denen ca. 20% Ausländer. Es leben dort auch viele jüngere Familien und Menschen mittleren Alters. In bzw. in unmittelbarer Nähe der Siedlung befinden sich u.a. ein Restaurant, ein Feinkostladen, eine Bäckerei, ein Friseur, ein SB-Waschsalon, ein Jalousiegeschäft sowie einige Supermärke Die Großsiedlung Siemensstadt ist Teil der aus insgesamt sieben Siedlungen bestehenden Siemensstadt, mit der sie nicht gleichgesetzt bzw. verwechselt werden darf. Die Großsiedlung wurde von den beteiligten Architekten in sechs verschiedenen Baustilen zu einer baulich harmonischen Gesamtheit vereinigt.


Im Jungfernheideweg - der direkt von der großen Nonnendammallee abzweigt - wurden die meisten Gebäude von Scharoun erbaut, der hier in der Nummer 4 selber 30 Jahre gelebt hatte, bevor er in eine von ihm gebaute Atelierwohnungen in Berlin-Charlottenburg zog, wo er dann 1972 verstarb. Im Krieg wurde das Gebäude Jungfernheideweg Nr. 1 völlig und die Gebäude Nr. 3 und 5 stark beschädigt. In den Gebäuden - z. B. des Jungfernheidewegs - befinden sich große Dachterrassen und Tröckenböden, die von den Mietern genutzt werden können - selbst für heutige Verhältnisse nicht alltäglich und damals, zumal in So-
zialwohnungen, geradezu eine Sensation.

Der von Scharoun gebaute Teil der Siedlung gilt als so genannte "Schiffsarchitektur", als Symbol für den modernen Wohnungsbau in der Weimarer Republik. Die Schifffahrt galt als Symbol für Freiheit, Weltläufigkeit, Modernität und Funktionalität. Wegen der speziellen Gestaltung erhielt der Scharoun-Teil der Siedlung auch den Namen "Panzerkreuzer".
Die in der Goebelstraße parallel zur Straße liegende nahezu 500 m lange Häuserfront stammt von Otto Bartning und erinnert ein wenig an Bauten aus den 1950er und 1960er-Jahren. Die Häuserfront besitzt den Namen "Langer Jammer". Aber die Rückseite des Gebäudekomplexes ist hell und von angenehmer Ästhetik und ermöglicht einen herrlichen Blick auf die teilweise parkähnlichen Grünanlagen. Auf dieser Seite der Anlage Langer Jammer befindet sich das von dem Ingenieur Max Mehringhaus erbaute zentrale Wasch- und Heizhaus, das heute ein Mieterpunkt der 1924 gegründeten GSW Immobilien GmbH in Berlin ist, die Teile der Siedlung verwaltet. Eigner ist seit dem Jahr 2004 der US-Investor Cerberus/Whitehall.

Die erste senkrecht zur Göbelstraße und parallel zum Jungfernheideweg liegende Anlage stammt von Gropius, die sich daran anschließenden Gebäude bzw. Anlagen - auch mit schönen Grünanlagen - stammen von Hugo Häring. Mit der U-Bahnlinie 7 - Bahnhof Siemensdamm - kommt man unmittelbar zum Jungfernheideweg. Mit der Eröffnung der U-7 im Jahr 1980 wurde der Betrieb der seit 1929 bis dahin existierenden rund 4,5 km langen S-Bahn (Bahnhof Siemensstadt) zwischen den Stationen Gartenfeld und Jungfernheide - die direkt durch Siemenstadt führte - eingestellt. Das aber war wohl nur indirekt der Grund - der wahre Grund waren wohl Streiks der Westberliner Angestellten der Reichsbahn, der seinerzeit die S-Bahnstrecken auch im Westteil Berlins gehörten. Im Zuge dieses Streiks schloss die Reichsbahn dann diese immer unrentablere Strecke. Es sei erwähnt, dass die Bahn AG die Strecke bereits seit 2007 endgültig entwidmen will - der Berliner Senat aber dagegen ist.

Straßen an bzw. in der Großsiedlung (alphabetisch)
Geißlerpfad
Goebelstraße
Heckerdamm
Jungfernheideweg
Mäckeritzstraße

Hinweis
Ausführliche und weitergehende Informationen zur Siemensstadt insgesamt und zur Großsiedlung im Speziellen, finden Sie von dem Siemens-Stadtkenner und dortigen Stadtführer Karl H.P. Bienek unter:
www.siemens-stadt.de/
Tel.: 0049 - (0)30 - 381 75 07

Gartenstadt Falkenberg - Tuschkastensiedlung

Diese im Bezirk Treptow-Köpenick im Ortsteil Bohns-
dorf liegende Gartenstadt wurde in den Jahren 1913 bis 1916 unter der Federführung der beiden Architekten Bruno Julius Florian Taut (1880-1938)und Heinrich Tessenow (1876-1950) errichtet. Die Siedlung gefällt auf den ersten Blick durch ihre fast liebliche und dezente Schönheit in einer ländlich anmuteten Umgebung.In der als Genossenschaft organisierten Anlage scheinen die Bewohner gerne zu leben. Die Gärten und sonstigen Außenanlagen konzipierte der Landschaftsarchitekt Ludwig Lesser (1969-1957). Die Gartenstadt umfasst auf einer Fläche von 4,4 ha = 44.000 m² - mit rund 230 Bewohnern 128 Wohnungen - davon 80 Einfamilienhäuser, wobei die meisten aus Erd-und Obergeschoss bestehen.


Eine Renovierung bzw. Sanierung fand unter strikter Einhaltung des Denkmalschutzes von 1992 bis 2002 statt. Seit 2001 wird die Gartenstadt unter Federführung und nach Plänen des Architekturbüros Quick Bäckmann Quick & Partner um seinerzeit nicht realisierte Abschnitte erweitert. Das Büro hatte bereits 1993 einen Architekturwettbewerb gewonnen, der von dem Mehrheitseigentümer der Gartensiedlung - der Berliner Bau- und Wohnungsbaugenossenschaft von 1892 -ausgelobt worden war. Besonders auffällig sind die an den Expressionismus erinnernden leuchtend bunten Farben und die kleinen verschlungenen Wege durch die Gärten zwischen den Häusern am Akazienhof und dem Gartenstadtweg. Man erreicht die Gartenstadt u.a. bequem mit der S-Bahnlinie - Bahnhof Grünau.

Kapp-Putsch
Geschichtlich Interessierte seien darauf hingewiesen, dass sich am Anfang der Straße Akazienhof eine Tafel zur Erinnerung an bewaffnete Arbeiter aus der Siedlung befindet, die im März 1920 mit halfen, den Kapp-Putsch niederzuschlagen.

Straßen an bzw. in der Siedlung (alphabetisch)
Akazienhof
Am Falkenberg
Gartenstadtweg

Hinweis
In der Sophie Charlotte Str. 7- im Stadtbezirk Zehlendorf-Steglitz - erinnert an seinem von ihm selbst erbauten Wohnhaus eine Gedenktafel an Heinrich Tessenow.

Neuen Kommentar hinzufügen