Fischvergiftung-Ciguatera

Kurze Übersicht
Ciguatera ist die weltweit häufigste Vergiftung durch Fische. Dabei handelt es sich um eine neurotoxische – also die Nerven schädigende - Fischvergiftung.

Obwohl man bei einer Fischvergiftung zunächst an verdorbenen oder von Natur aus giftigen Fisch denken mag, wird Ciguatera durch den Verzehr von üblicherweise gut verträglichem und ungiftigem Speisefisch ausgelöst. Die giftigen Fische sind also nicht von ungiftigen zu unterscheiden.

Diese dann als "ciguatoxisch“ bezeichneten Fische werden dabei örtlich und zeitlich begrenzt zum Träger eines sehr gefährlichen und zudem hitzestabilen Giftes, welches sie über die Nahrungskette im Wasser aufnehmen und anreichern.

Somit sind nicht nur einzelne Fischarten betroffen, sondern man muss vielmehr davon ausgehen, dass über 400 verschiedene Arten ciguatoxisch sein können – vor allem Riff-Fische wie z.B. Barrakudas, Papageifische oder Muränen.
Der Name der Vergiftung stammt übrigens von einer Meeresschneckenart aus der Karibik, der Cigua, die man zunächst irrtümlich für die Erkrankung verantwortlich machte.

Name der Erkrankung Ciguatera, Ciguatera-Fischvergiftung
Weitere Bezeichnungen Neurotoxische Fischvergiftung
Familie Fischvergiftungen
Vorkommen Indischer Ozean, Pazifik und Karibik
Ursachen Aufnahme bestimmter Gifte (Ciguatoxin, Maitotoxin) durch den Verzehr Toxin in sich tragender Fische
Übertragungsweg Die das Gift in sich tragende und auf Korallen und Algen lebende Geißeltierchen werden von Fischen gefressen
Risikofaktoren, Risikogruppen Verzehr von Fisch in den Risikogebieten, betroffen kann jeder sein, der kontaminierten Fisch verspeist hat.
Mittlerweile kann auch importierter Fisch betroffen sein.
Krankheitszeichen (Symptome) 1. Phase: Beschwerdefreie Latenz (3–8 Stunden). 2. Phase: Gastrointestinale Symptomatik (8–10 Stunden): Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall. Begleitsymptomatik:
Muskelschmerzen, Abgeschlagenheit, starkes Schwitzen, Juckreiz, Sehstörungen, weitgestellte Pupillen und Schlaflosigkeit. 3. Phase: Neurologische Symptomatik (etwa 12–24 Stunden nach der Giftaufnahme):
Missempfindungen zunächst um den Mund herum,
später auch auf die Extremitäten übergreifend;
charakteristische Umkehr des Kalt-Warm-Empfindens im Bereich der Hände und Füße.
Komplikationen Teilweise über Monate anhaltende neurologische Beschwerden
Diagnose Die nach dem Verzehr von Fischen typischen Symptome, machen eine Diagnose relativ einfach - sogar für den informierten Laien
Therapie Eine Gifteliminierung z.B. Erbrechen, Magenspühlung, Aktivkohle oder Mannitlösung und eine symptomatische Therapie
also eine optimale Pflege, intravenöse Flüssigkeitszufuhr und Behandlung der Begleiterscheinungen
ggf. unter intensivmedizinischen Bedingungen.
Verlauf, Prognose Je mehr Fisch verzehrt wurde, desto ausgeprägter sind die Symptome bzw. Beschwerden.
Die Beschwerden der Phase 3 können einige Monate andauern.
Die Sterblichkeit liegt jedoch deutlich unter 1%
Vorsichtsmaßnahmen (Prophylaxe) Den Verzehr von befallenen Fischen dadurch vermeiden, dass man nach Unwettern oder Erdbeben sowie im Frühjahr keine Fische isst.
Kochen und Grillen zerstört das Toxin nicht.
Schwangere sollten in den gefährdeten Regionen gänzlich auf Fisch verzichten.
Vorkommen und Häufigkeit
Die Ciguatera-Fischvergiftung tritt saisonal und unerwartet in tropischen Meeresgebieten auf - oft nach Stürmen oder Seebeben - da dann vermehrt die Giftträger im Wasser auftreten und von den Fischen besser gefressen werden können. Die Häufigkeit wird mit jährlich 10.000 bis 50.000 Fällen angegeben. Das Risikogebiet erstreckt sich dabei zwischen dem 34-35° nördlicher und südlicher Breite.
Betroffen sind der indische und der pazifische Ozean aber auch die Karibik. Regelmäßige Ausbrüche werden aus Florida, von den Südpazifischen Inseln, aus Hawaii sowie von der Nordküste Australiens (Northern Territory, Queensland) gemeldet. Die Häufigkeit im Pazifik nimmt vom Westen nach Osten zu. Auch aus dem asiatischen Raum wurden Vorfälle gemeldet.

Prinzipiell kann es natürlich auch in jedem Land zu Vergiftungen kommen, welches Fisch aus den betroffenen Gebieten importiert. Umgekehrt werden aufgrund der Ciguatera-Gefahr heute weite Teile der Karibik mit tiefgefrorenem Fisch aus Australien und Neuseeland versorgt.
Die Häufigkeit der Ciguatera-Fischvergiftung weist geographische und meteorologische Besonderheiten auf. Es ist z.B. möglich, dass verschiedene Fischarten in einer einzelnen Meeresbucht ciguatoxisch sind, während dieselben Fischarten in einer angrenzende Bucht völlig frei davon sind. Auch ökologische Faktoren z.B. eine Durchmischung von Riffgewässern mit Algen aus den tieferen Wasserschichten durch Unwetter und während der Algenblüte gehen mit einem erhöhten Risiko einher. Die Frühsommermonate sind deshalb besonders gefährlich.

Europa
Prinzipiell kann es natürlich auch in jedem Land zu Vergiftungen kommen, das Fisch aus den betroffenen Gebieten importiert. Auch in Deutschland muss mit ihrem Auftreten durch den vermehrten Verzehr importierter tropischer und
subtropischer Fische zunehmend gerechnet werden. So wurden beispielsweise Ende 2012 immerhin 14 Fälle von Vergiftungen nach dem Verzehr von Red Snapper-Filets gemeldet. Umgekehrt werden aufgrund der Ciguatera-Gefahr heute weite Teile der
Karibik statt mit ihrem einheimischen mit tiefgefrorenem Fisch aus Australien und Neuseeland versorgt.
Ursache der Vergiftung
Für die Ciguatera sind eine Gruppe von Giftstoffen wie das Cigua- und Maitotoxin verantwortlich, welche zu den stärksten bekannten Giften überhaupt zählen. Sie werden von bestimmten Geißeltierchen produziert, welche auf Tang und Algen von Riffen leben. Von dort gelangen Sie über die Nahrungskette in den Organismus von Riff-Fischen, wo sie sich anreichern. Den Fischen selbst schaden die Gifte nicht, wohl aber dem Menschen, der einen solchen toxintragenden Fisch verzehrt.

Da sie hitzebeständig sind, vermögen Kochen, Braten oder Grillen der Fische eine Vergiftung nicht zu verhindern.
Nach der Aufnahme wirken die Toxine auf bestimmte Ionenkanäle der Zellen. Sie verändern die Ladungsverteilung an der Zellmembran und beeinflussen damit u.a. die Weiterleitung von Reizen in Nervenzellen. Die Folge ist eine Übererregbarkeit der Nervenzellen, welche für die typischen neurologischen Symptome verantwortlich ist.
Symptome
Nach der dem Verzehr des ciguatoxischen Fisches folgt eine beschwerdefreie Latenzzeit von drei bis fünf Stunden – gelegentlich ist diese Spanne auch kürzer, in Ausnahmefällen beträgt sie sogar nur wenige Minuten. Im Anschluss daran kommt es zunächst zu einer gastrointestinalen Symptomatik mit Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Die Betroffenen fühlen sich abgeschlagen, schwitzen stark, klagen über Muskelschmerzen, Juckreiz und Schlaflosigkeit. Typisch sind auch weitgestellte Pupillen und Sehstörungen.

Etwa zwölf bis 24 Stunden nach der Giftaufnahme treten neurologische Symptome in den Vordergrund. Typisch sind dabei Missempfindungen wie Kribbeln und „Ameisenlaufen“, die zunächst im Bereich des Mundes beginnen und sich dann zunehmend bis zu den Extremitäten ausbreiten. Es können Lähmungen der Skelettmuskulatur einschließlich der Atemmuskulatur, Schwindel und Koordinationsstörungen auftreten. Muskelschmerzen sind typisch. Ein charakteristisches Merkmal der Ciguatera ist die Umkehr des Kalt-Warm-Empfindens an Händen und Füßen sowie Schmerzempfinden beim Kontakt mit Kälte.
Zusätzlich wird häufig eine Verlangsamung der Herzfrequenz und ein Abfall des Blutdrucks beobachtet. Diese Symptome können in Einzelfällen lebensbedrohlich werden. Generell korreliert die Intensität (Stärke) der Symptome mit der Menge an Toxin, die aufgenommen wurde, mit dem Alter des Patienten und dem Körpergewicht.
Krankheiten mit ähnlichen Symptomen
Ganz zu Beginn unterscheidet sich die Symptomatik kaum von anderen Lebensmittelvergiftungen. Die typischen Missempfindungen in den Extremitäten, das gestörte Kalt-Warm-Emfinden mit Schmerzen bei Kaltreiz und die Muskelschmerzen helfen dann jedoch bei der Diagnosefindung.
Muschelvergiftungen können ein ähnliches Bild bieten, jedoch üblicherweise weit weniger ausgeprägt und eine sorgfältige Erhebung der zuvor verzehrten Nahrungsmittel dürfte die Diagnose sicher.
Diagnosemöglichkeiten
Einen Test für die allgemeine Praxis gibt es nicht. Bei typischer Ausprägung und vorausgegangenem Verzehr von Fisch in Risikogebieten kann der erfahrene Arzt aber allein aus der Krankengeschichte und einer klinischen Untersuchung in aller Regel die die richtige Diagnose stellen. Bei stärker ausgeprägten Symptomen nach dem Verzehr von Fisch ist aber auch durch den informierten Laien eine Verdachtsdiagnose möglich.
Ein Toxinnachweis im ursächlichen Fisch ist möglich aber in der Regel nicht praktikabel.
Behandlung/Therapie
Als einzige spezifische Therapie wird eine sofortige Giftentfernung durch Magenspülung bzw. Erbrechen versucht. Zur Giftbindung kann medizinische Kohle verabreicht werden.
Einige Autoren plädieren für die Gabe des Zuckeralkohols Mannitol per Infusionem innerhalb von 24 Stunden, der zu einer vermehrten Ausscheidung der Giftstoffe beiträgt und möglicherweise die osmotischen Effekte in der Umgebung der Nervenbahnen zu dämpfen vermag.

Da kein Gegengift zur Verfügung steht, ist die Behandlung ansonsten rein symptomatisch. Wichtig ist die Rehydrierung des Betroffenen. Andauerndes Erbrechen und Durchfall sollten medikamentös bekämpft werden (Triflupromazin), das gleiche gilt für ausgeprägte Verlangsamung der Herzfrequenz und Abfall des Blutdruckes (Plasmaexpander, Atropin).
In Einzelfällen kann eine Intensivbehandlung mit künstlicher Beatmung notwendig werden.
Weiterhin können unangenehme Symptome wie auftretender Juckreiz, Schlafstörungen, psychomotorische Unruhe bei Bedarf mit entsprechenden Medikamenten behandelt werden
Alternative Behandlungsmöglichkeiten
Es sind keine nachweislich wirksamen alternativen Behandlungsmöglichkeiten bekannt. Es wird berichtet, dass Eingeborene in New Caledonia die Blätter von Duboisia myoporoides als Gegengift verwenden, in denen ebenfalls Stoffe wie Atropin und Scopolamin vorkommen. Von derartigen Experimenten sollte aber unbedingt abgesehen werden!
Verlauf, Prognose
Das Ausmaß der Ciguatera-Vergiftung hängt in der Regel davon ab, wieviel Fisch verzehrt wird. Ciguatera ist zwar nur selten lebensgefährlich, die Sterblichkeit liegt deutlich unter 1%. Es treten aber sehr unangenehme und oft langanhaltende Beschwerden auf. Die gastroenterologische Symptomatik ist in der Regel nach wenigen Tagen verschwunden und auch die Herz-Kreislauf-Beschwerden sind bei den meisten Patienten nach höchstens einer Woche abgeklungen.Im Gegensatz dazu kann eine neurologische Restsymptomatik noch Monate anhalten. Eine Verschlechterung wird dabei durch Alkoholkonsum beobachtet.
Vorsichtsmaßnahmen (Prophylaxe)
Gefahr besteht für alle Menschen, die Fische verzehren, die möglicherweise das Toxin enthalten.
Bei Schwangeren mit einer Ciguateravergiftung konnten Bewegungen des Feten festgestellt werden, die typisch für einen zerebralen Krampfanfall sind, nach der Geburt wurde eine Gesichtslähmung beobachtet. Die einzig wirksame Prophylaxe steht in der Vermeidung einer Giftaufnahme. Fischverzehr in betroffenen Regionen besonders in Zeiten saisonaler Häufung sowie der Verzehr von möglicherweise toxintragendem importierten Fisch sollte unterbleiben.
Schwangere
Schwangere sollten in den Risikogebieten ganz auf den Verzehr von Fisch verzichten.