Athen: Stadtgeschichte

Die Stadt Athen erhielt ihren Namen wahrscheinlich von der Schutzgöttin Athene. Allerdings kann dies auch genau andersherum gewesen sein. Die genaue Namensherkunft ist bis heute ungeklärt geblieben. Überliefert ist nur eine Sage, nach der Athene und der Meeresgott Poseidon mit einem Geschenk um die Gunst der Bewohner der damals noch namenlosen Stadt buhlten. Athene, die der Stadt einen Olivenbaum bescherte, gewann und wurde daraufhin die Schutzgöttin Athens.

Glaubt man einmal mehr der Überlieferung, so wurde Athen vor 5.000 Jahren vom sagenhaften König Kekrops I. gegründet. In der Stadt wurde eine mykenische Königsburg erbaut. [Mykenische Zeit = 1600 - 1150 v. Chr.] Diese blieb auch in der Zeit der dorischen Eroberung von Zerstörungen verschont. Zur Zeit der Griechischen Völkerwanderung (1200 - 1000 v. Chr.) und im darauf folgenden so genannten Dunklen Zeitalter [= der Name bezieht sich darauf, dass genaue Vorgänge aus den spärlichen geschichtlichen Zeugnissen nur unzureichend rekonstruierbar sind] blieb die Bedeutung Athens sehr gering. Auch in den folgenden Jahrhunderten war die Stadt alles andere als bedeutend. Indes sorgten die zentrale Lage und eine rege Beteiligung am Seehandel, der über den Hafen Piräus lief, für einen erheblichen Bedeutungszuwachs Athens. Der Wohlstand der Einwohner wuchs, kam aber nicht jedem zugute. Dies führte zu sozialen Spannungen, welche sich noch dadurch verschärften, dass Athen die umliegenden Gebiete Attikas urbanisierte und zu einer Polis vereinte. Die Spannungen in der Stadt kulminierten ein erstes Mal 632 v. Chr. mit dem erfolglosen Staatsstreich des Kylon.

Die sozialen Spannungen und der folgende Staatsstreich zeigten, wie sehr verfassungsrechtliche Reformen nötig waren. Diesen gingen zunächst vom athenischen Gesetzesreformer Drakon (gest. um 650 v. Chr.) aus. Er zeichnete um 621 v. Chr. alle in Athen bekannten Strafbestimmungen auf und führte drastische Neuerungen im Strafrecht ein. Noch heute sind seine drakonischen Strafen, mit denen er die Ordnung in der Stadt aufrecht erhalten wollte, eine gängige Redensart. Solon (um 640 v. Chr. - 559 v. Chr.), ein bedeutender Staatsmann aus Athen, führte umfangreiche Gesetzesreformen durch. Mit ihnen schuf er eine ausgleichende Regelung für Adlige und Stadtbürger gleichermaßen. Obwohl von den von ihm eingeteilten vier Klassen Athens lediglich der obersten Klasse eine politische Laufbahn offen stand, erhielten alle Klassen ein Stimmrecht in der Volksversammlung. Dies sowie die Abschaffung von Schuldsklaverei und zu großen Landanhäufungen waren erste Aspekte einer sich entwickelnden Demokratie. Zudem förderte Solon den freien Handel. Der Demokratisierungsprozess von Athen wurde 541 v. Chr. noch einmal von Peisistratos aufgehoben, als dieser die Tyrannis [= Herrschaft des Einzelnen] einführte. Fortsetzung fand diese nach dem Tode des Peisistratos ( 527 v. Chr.) unter dessen Söhnen Hippias und Hipparchos. Im Jahre 510 v. Chr. wurde die Tyrannis beseitigt. Kleisthenes (um 570 v. Chr. - um 507 v. Chr.), ein Athener Staatsreformer, entmachtete um das Jahr 508 v. Chr. die Oligarchen-Partei [Oligarchie = Herrschaft von wenigen] und führte mit seinen Kleisthenischen Reformen die Demokratie in Athen ein.

Zwischen 490 und 480 v. Chr. wurde die Geschichte Athens von den Perserkriegen bestimmt. Die Stadt hatte sich im Ionischen Aufstand (500 - 494 v. Chr.) gegen das Perserreich gestellt und mithin den Rebellenführer Aristagoras von Milet unterstützt. Die berühmtesten Schlachten fanden 490 v. Chr. bei Marathon und 480 v. Chr. bei Salamis statt. Es gelang Athen, seinen Machteinfluss auszudehnen und im Jahre 477 v. Chr. den Attischen Seebund zu gründen, mit dessen Unterstützung die Stadt weite Teile Griechenlands und sogar Kleinasiens unterwerfen konnte. Athen war zu einer der stärksten Seemächte des Mittelmeerraums geworden. Die Blüte hing auch mit der Kultur zusammen. Die Stadt zog Philosophen, Künstler, Gelehrte und Schriftsteller wie bspw. Aristophanes, Euripides, Herodot, Phidias, Sokrates, Sophokles und viele mehr an. Etwa 40.000 Einwohner lebten um diese Zeit in Athen, wobei die meisten von ihnen keine athenischen Bürger im rechtlichen Sinne, sondern vielmehr Fremde oder Sklaven waren, die de facto rechtlos leben mussten.

Die Stadt ordnete sich um die berühmte Akropolis an, die unter dem athenischen Staatsmann und General Perikles (um 490 v. Chr. - 429 v. Chr.) erbaut wurde. Auf ihr stand das bedeutendste Heiligtum Athens: der Parthenon-Tempel, gewidmet der Schutzpatronin Athene. Daneben standen noch weitere Tempelbauten wie der Hephaistostempel sowie das Olympieion. Unter der Herrschaft des Perikles erlebte Athens Demokratie ihren Höhepunkt.

Differenzen mit einigen Mitgliedern des Attischen Seebundes mündeten in den Peloponnesischen Krieg (431 - 404 v. Chr.), in dem Athen gegen den Peloponnesischen Bund zu Felde zog. Der Bund wurde von Korinth, Sparta und Theben angeführt. Während einer verheerenden Epidemie, in der etwa 1/3 der Einwohner Athens starben, kam auch Perikles um. Der Peloponnesische Krieg endete für Athen im Jahre 404 v. Chr. mit der totalen Niederlage. Der Attische Seebund wurde aufgelöst.

Das 4. Jahrhundert v. Chr. war die Zeit der wohl berühmtesten Philosophen der Stadt: Platon und Aristoteles. Sie brachten die Philosophie zur Blüte. Aber auch der Einfluss und die Handlungsautonomie kamen zur Stadt zurück. Eine geschickte Politik hatte ihren bis dato sichtbarsten Erfolg in der Gründung eines neuen Seebundes, zu dem es im Jahre 377 v. Chr. kam. In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. kam eine neue Macht auf: Makedonien. Dieser neuen Bedrohung trat vor allem Demosthenes (384 v. Chr. - 322 v. Chr.), ein bedeutender Redner entgegen. Es gelang ihm sogar, ein anti-makedonisches Bündnis beinahe aller griechischen Städte ins Leben zu rufen. Jedoch konnte es gegen das makedonische Heer nicht bestehen und wurde in der Schlacht von Chaironeia (338 v. Chr.) besiegt. Als Folge musste Athen dem makedonisch dominierten Korinthischen Bund beitreten. Nach dem Tode Alexanders des Großen, dem wohl berühmtesten Makedonier, erhob sich Athen erneut mit Hilfe anderer Stadtstaaten Griechenlands gegen Makedonien (Lamischer Krieg, 323 - 322 v. Chr.) und erfuhr eine weitere Niederlage. Die Demokratie der Stadt wurde eingeschränkt und makedonische Soldaten in der Stadt postiert. Zwischen 317 bis 307 v.Chr. regierte Demetrios von Phaleron, ein Schüler des Aristoteles, als Verwalter Athens. Er wurde von den Makedonen unterstützt, aber dann vertrieben. Eine erneute Blüte athenischer Demokratie folgte. Nach erfolgreicher Gegenwehr gegen Eroberungsbestrebungen Makedoniens wurde Athen indes im Jahre 262 v. Chr. im so genannten Cremonideischen Krieg besiegt und blieb bis 229 v. Chr. in makedonischer Hand. Fortan war Athen wieder frei und sollte enorm an kultureller Bedeutung gewinnen.

Obwohl Athen eigentlich auf der Seite des Römischen Reiches und mithin in Gegnerschaft zu Makedonien stand, wurde die Stadt im Jahr 86 v. Chr. von Sulla (um 138/134 v. Chr. - 78 v. Chr.) als Strafe für die Unterstützung des Mithridates VI. von Pontu erobert. Mithridates hatte 88 v. Chr. Angriffe auf römisches Gebiet unternommen und die Griechen zur Erhebung gegen Rom aufgerufen. Außerdem war er verantwortlich für die Tötung von etwa 80.000 Italikern in Griechenland im Jahr 88 v. Chr (Vesper von Ephesos).

Unter den römischen Kaisern blieb Athen der Status einer freien Stadt erhalten. Und mehr noch: Viele reiche Römer kamen um der Philosophie willenin die Stadt. Der römische Kaiser Hadrianus (76 - 138), der ein großer Bewunderer der griechischen Kultur war, besuchte Athen mehrmals und stiftete der Stadt viele Bauwerke wie bspw. die Hadriansbibliothek und das Hadrians-Tor. Außerdem vollendete er den Tempel des Olympischen Zeus und erweiterte die Römische Agora.

Die Athenische Philosophie erlebte ihren Niedergang mit der Etablierung des Christentums als römische Staatsreligion im Jahre 391. Auf Beschluss des oströmischen Basileus Justinianus I. wurden 529 alle Philosophenschulen der Stadt geschlossen, weil man sie als Orte des Heidentums wahrnahm. Mit der Schließung der platonischen Akademie endet die Zeit des klassischen Athens.

Im 9. Jahrhundert wurde Athen Bischofssitz, wobei der Parthenon-Tempel als Bischofskirche diente.

Die folgenden Jahrhunderte waren geprägt von Eroberungen und Fremdherrschaften: 1204 wurde die Stadt während des 4. Kreuzzug (1202 - 1204) fränkisches Herzogtum, nachdem Konstantinopel (heute Istanbul) von den Kreuzfahrern eingenommen worden war. Der Katalanischen Kompanie folgten die 1388 und 1402 die Florentiner (siehe auch Florenz), diesen 1392 die Türken (siehe auch Türkei) und diesen wiederum 1395 die Venezianer (siehe auch Venedig). 1456 eroberte der Sultan Mehmed II., der Eroberer Konstantinopels (1453), Athen und sorgte für einen weiteren Bedeutungsverlust der Stadt. Der Parthenon-Tempel wurde zu einer Moschee und das Erechtheion zu einem Harem umfunktioniert.

Die tragischste Zeit erlebte Athen sicherlich zwischen dem 17. Jahrhundert und dem 19. Jahrhundert. Es war wenig mehr als eine unbedeutende Provinzstadt mit etwa 1.000 Einwohnern, als es erst im 19. Jahrhundert zur Hauptstadt des modernen griechischen Königreichs gewählt wurde und damit die griechische Stadt Nafplio ablöste. Durch ihre wichtige Funktion nun wurde der politisch, kulturell und ökonomisch beinahe toten Stadt eine grandiose Wiederbelebung zuteil. Architekten und Stadtplaner kamen nach Athen und bauten um die klassischen Ruinen eine neue Stadt mit großen neo-klassischen Häusern, großen Plätzen, Grünanlagen, öffentlichen Gebäuden und weiten Straßen auf. Zwischen 1908 und 1918 wurden auch der Akropolis-, des Filopappos- und der Musenhügel aufgeforstet. So hatte sich die Stadt bereits um 1900 wieder hin zu einer attraktiven kosmopolitischen Metropole hin akklimatisiert.

Das 20. Jahrhundert jedoch brachte weitere Erschütterungen über Athen. Im Zusammenhang mit dem Griechisch-Türkischen Krieg (1920/21) und massenhaften Vertreibungen von Griechen aus Kleinasien kam es ab den 1920er Jahren zu einem ungeregelten Wachstumsschub und zur Herausbildung mehrerer dicht besiedelter Elendsviertel. An die Vertreibungen erinnern heute noch die Namen einiger Stadtteile, welche sich auf die Bezeichnungen der alten Heimatorte Kleinasiens beziehen. Beispiele dafür sind etwa Néa Filadelfia oder Nea Smýrni. Während des Zweiten Weltkrieges erheblich zerstört, folgte eine Zeit schlechter Stadtplanung. In den 1960ern und 1970ern wurden zahlreiche neo-klassische Gebäude weggerissen, um für die berüchtigten Wohnblöcke Platz zu machen, welche heute das Stadtbild Athens mitprägen. Zudem expandierte die Stadt zu rasch - v.a. nach Westen - und zog unzählige Arbeitssuchende aus dem Umland an. Zugunsten des Autoverkehrs wurde der öffentliche Nahverkehr vernachlässigt, was spätestens seit den 1980ern zu erhöhten Smog-Werten führte und der Stadt einen schlechten Ruf einbrachte. Außerdem verfielen die herrlichen Gegenden Pláka und Thissio.

In den 1980ern und 1990ern erwachte bei den Stadtvätern langsam das Bewusstsein für eine Veränderung ihrer Politik gegenüber der geschändeten Stadt. Im Zusammenhang mit der gestiegenen Prosperität Griechenlands wurden wichtige Projekte ins Leben gerufen, welche die Stadt langsam regenerierten.

Im Jahre 2004 richtete Athen die Olympischen Sommerspiele aus, die ein beeindruckender Erfolg wurde. Zu diesem sportlichen Großereignis hatte man im Vorfeld erhebliche Verbesserungsmaßnahmen in Athen abschließen können. Neben einem exzellenten öffentlichen Transportsystem und einer hervorragenden Infrastruktur wurde das historische Zentrum Athens renoviert. Seither sind - vor allem durch die Projekte Unification of Archaelogical Sights - die klassischen Ruinen und Monumente durch anheimelnde Fußgängerzonen miteinander verbunden.