Weißrussland: Geschichte

Frühgeschichte

Archäologische Funde belegen, dass das Gebiet des heutigen Weißrussland mindestens seit etwa 10.000 Jahren besiedelt ist. So wurden u. a. steinzeitliche Werkzeuge und Waffenteile aus Feuerstein entdeckt sowie zahlreiche bronzezeitliche Grabstätten.

Bis zum 17. Jahrhundert

Ab dem 6. Jh. siedelten sich slawische Stämme in der Region an. Nachdem Wikinger vom Stamm der Waräger in die Gegend um Kiew gelangt waren, bildete sich im 9. Jh. das altostslawische Kiewer Reich (Rus) heraus. Es umfasste zunehmend auch das weißrussische Territorium, auf dem sich um das Jahr 1000 mehrere eigenständige Fürstentümer gründeten.
Die vor allem durch den Handel entstandene enge Verbindung zum Byzantinischen Reich hatte im Jahr 988 den Übertritt der Rus zum orthodoxen Glauben zur Folge. Nachdem das Reich in zahlreiche Kleinfürstentümer zerfallen war, wurde es in der Mitte des 13. Jh. endgültig durch die mongolische Invasion der so genannten Goldenen Horde zerstört. In dieser Zeit begann sich das Großfürstentum Litauen auszudehnen, das schließlich auch über Weißrussland herrschte. Die nun folgende Epoche wird von den Weißrussen gern als „Goldenes Zeitalter“ bezeichnet. Da Weißrussland damals den Hauptteil des litauischen Staatsgebietes ausmachte, wurde die altweißrussische Sprache und Kultur darin dominant, obwohl die Oberschicht den katholischen Glauben und nach dem Zusammenschluss mit Polen im 16. Jh. auch die polnische Sprache annahm.

Im 18. und 19. Jahrhundert

Ende des 18. Jh. begannen die so genannten Teilungen Polens, die dazu führten, dass das heutige weißrussische Gebiet nach und nach unter russische Herrschaft geriet. Dies führte immerhin zur Aufhebung der Leibeigenschaft. Trotzdem blieb die Bevölkerung extrem arm und zwischen 1850 und 1918 wanderten etwa 1,5 Millionen Menschen aus, und zwar vorwiegend in die USA und nach Sibirien. Die Elite des Landes bestand fast ausschließlich aus Polen, Russen und Juden. Die zaristische Regierung in Moskau verbot auch bis 1905 die weißrussische Sprache.

Im 20. Jahrhundert

Durch den Ersten Weltkrieg zerfiel das russische Zarenreich. Nachdem deutsche Truppen Anfang des Jahres 1918 in Minsk einmarschierten, erfolgte am 25.3.1918 die Gründung der „Weißrussischen Volksrepublik“, die weder vom Deutschen Reich noch von den Westmächten anerkannt war und die bereits im Oktober desselben Jahres von der Roten Armee wieder aufgelöst wurde. Am 1.1.1919 kam es dann zur Ausrufung der “Weißrussischen Sowjetrepublik“. Im polnisch-sowjetischen Krieg von 1920 besetzten polnische Truppen das Land. Aus dem Teil, den die Rote Armee wieder zurückerobern konnte, wurde die “Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik“ (WSSR) gebildet. Sie gehörte 1922 zu den vier Gründungsmitgliedern der Sowjetunion und wurde in der Folgezeit zentral von Moskau aus regiert. Den stalinistischen Säuberungsaktionen in den 30er Jahren des 20. Jh. fielen dort vermutlich mindestens 100.000 Menschen zum Opfer. Das westliche Drittel von Weißrussland gehörte bis zum Zweiten Weltkrieg zu Polen, dort wurden zwischen 1929 und 1939 ca. 300.000 Polen angesiedelt.
Nachdem im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes ganz Weißrussland der Sowjetunion zugeschrieben wurde, besetzte die Rote Armee im September 1939 Ostpolen, das kurz darauf der WSSR angegliedert wurde. In diesem Gebiet sind unter Stalin vermutlich bis zu 500.000 Menschen (vor allem Kommunisten, Geistliche, Juden sowie polnische Adelige und Unternehmer) deportiert worden. 1941 erfolgte dann der deutsche Überfall auf die Sowjetunion, wobei auch Weißrussland annektiert wurde. Dort kamen bis 1944 rund zweieinhalb Millionen Menschen, also mindestens ein Viertel der Gesamtbevölkerung, ums Leben. Fast alle jüdischen Einwohner des Landes wurden ermordet. Die Deutschen zerstörten auch nahezu sämtliche Städte und Industrieanlagen. Bis zum Sommer 1944 eroberte dann die Rote Armee das Land zurück.
1945 wurde Weißrussland ein Gründungsmitglied der Vereinten Nationen.
1986 ereignete sich in der benachbarten Ukraine die Katastrophe von Tschernobyl, durch die weite Teile vor allem im Süden und Osten des Landes verstrahlt wurden (hier gingen etwa 70% des radioaktiven Fallouts nieder). Das Versagen der Regierung, die die Warnung und Evakuierung der Betroffenen viel zu spät einleitete, hatte nun auch in Weißrussland die Bildung einer wirkungsvollen Oppositionsbewegung gegen die russische Regierung zur Folge.
Im August 1991 erklärte das Land seine Unabhängigkeit, die durch den Vertrag über die Auflösung der Sowjetunion im Dezember desselben Jahres besiegelt wurde. Weißrussland trat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) bei.
Die ersten Präsidentschaftswahlen im Jahr 1994 gewann Alexandr Lukaschenka, der bis heute an der Macht ist und von seinen Kritikern häufig als “der letzte Diktator Europas“ bezeichnet wird. Seine Politik ist undemokratisch und marktwirtschaftsfeindlich, was zu einer Isolation des Landes führte. Freundschaftliche Beziehungen werden lediglich zum Iran, zu Nordkorea, zu China und zu Kuba unterhalten. Im Land werden Menschenrechtsverletzungen begangen, Wahlen manipuliert und die Opposition unterdrückt, deren Mitglieder teilweise sogar ermordet werden. Das Verhältnis zu Russland ist mittlerweile gespannt.

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