Sturmfluten

Von einer Sturmflut spricht man allgemein immer dann, wenn der Meeresspiegel aufgrund eines Sturms an den Küsten erheblich ansteigt. Früher kam es dabei meist zu Schäden an der Landschaft sowie zu Todesfällen und Verletzungen bei Menschen und Tieren. In Europa sind die Küsten mittlerweile durch Deiche so geschützt, dass kaum noch mit ernsthaften Schäden zu rechnen ist.

An zahlreichen Küsten, die beispielsweise an der Nordsee oder dem Atlank liegen, werden Sturmfluten oft noch durch den Einfluss der Tide (Ebbe, Flut) verstärkt. Besonders hohe Wasserstände sind dann zu erwarten, wenn bei einem schweren auf Land gerichteten Sturm zusätzlich eine Springflut herrscht. Eine Springflut entsteht immer dann, wenn Sonne und Mond auf einer Ebene liegen - also bei Voll- oder Neumond.

An der deutschen Nordseeküste spricht man offiziell von einer Sturmflut, sofern der Wasserstand (Pegelstand) 1,50 m höher liegt als bei mittlerem Hochwasser. Für Wasserstandsvorhersagen und -bekanntmachungen ist das deutsche "Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie" mit Sitz in Hamburg und Rostock verantwortlich!
In derartigen Fällen werden die Menschen in den betroffenen Regionen über die Medien (vor)gewarnt, außerdem liegen detaillierte Notfallpläne bei den Behörden bereit.

Die schlimmsten Sturmfluten

Die letzte große und verheerende Sturmflut im letzten Jahrhundert in Deutschland ereignete sich im Jahr 1962 in Hamburg, und zwar in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar.
Auslöser dieser Katastrophe war das Sturmtief Vincinette, das sich über dem südlichen Nordpolarmeer entwickelt hatte und in Richtung Deutsche Bucht zog und dorthin blies. Der Sturm entwickelte Organböen mit Geschwindigkeiten von über 200 km/h. Der Pegelstand der Elbe überschritt zu diesem Zeitpunkt die maximal erwartete Marke, sodass zahlreiche Deiche dem nicht mehr standhielten und brachen. Infolgedessen wurden große Teile Hamburgs, besonders die Stadtteile Wilhelmsburg und Georgswerder überschwemmt. Die völlig überraschten und nicht vorgewarnten Menschen wurden meistens im Schlaf von den Überflutungen heimgesucht. Insgesamt starben bei dieser Naturkatastrophe 340 Menschen, davon 315 in Hamburg. Außerdem war der Sachschaden, den die Sturmflut angerichtet hatte immens, so wurden u.a. ca. 6.000 Häuser ganz oder teilweise zerstört.
Besonders erwähnenswert ist der Einsatz des damaligen Hamburger Innensenators und späteren Bundeskanzlers, Helmut Schmidt, der sich über alle bestehenden bürokratischen Hürden - auch die des Grundgesetzes - hinweg gesetzt hatte und das Kommando über die gesamten Hilfsmaßnahmen übernommen hatte. Sein mutiger und nicht hoch genug einzuschätzender Einsatz hatte ohne Zweifel damals zahlreichen Menschen das Leben gerettet.
Im folgenden sind die schlimmsten bzw. folgenreichsten Sturmfluten an der Nord- und Ostseeküste aufgelistet und kurz beschrieben:

  • Julianenflut vom 17. Februar 1164. In Folge dieser Sturmflut im Gebiet der heutigen Landkreise Ostfriesland und Friesland kamen möglicherweise über 20.000 Menschen ums Leben. Diese Sturmflut ist verantwortlich für die Entstehung einer Art Vorstufe des heutigen Jadebusens zwischen Wilhelmshaven und der Mündung der Jade.
  • Erste Marcellusflut vom 16. Januar 1219. Diese Sturmflut kostete wahrscheinlich ca. 35.000 Menschen - besonders in Westfriesland - in den heutigen Niederlanden gelegen, das Leben.
    Ihren Namen erhielt die Sturmflut nach dem Heiligen Marcellus, der vom Mai 307 bis 309 - seinem Todesjahr - Bischof von Rom war.
  • Allerkindleinsflut vom 28. Dezember 1248. Es gab eine nicht bekannte Anzahl an Opfern, außerdem zerbrach die damalige Elbinsel Gorieswerde in mehrere Teile.
  • Luciaflut vom 14. Dezember 1287 mit wahrscheinlich 50.000 Toten, besonders betroffen war Ostfriesland. Aufgrund dieses Einbruchs der Nordsee steht der Beginn der Bucht namens Dollart, der sich heutzutage westlich der Emsmündung gegenüber Emden befindet. Der Dollart umfasst derzeit eine Fläche von rund eine fast 100 km2
  • Clemensflut vom 23. November 1334. Aufgrund der Sturmflut vergrößerte sich der Jadebusen, außerdem verschwanden die Ortschaften Arngast und Jadelee im Meer. Auf der Sandbank im Gebiet des früheren Arngarst wurde im Jahre 1909/1910 ein Leuchtturm zur Orientierung bei der Ansteuerung von Wilhelmshaven und im Jadebusen errichtet. Der Leuchtturm ist immer noch in Betrieb, er arbeitet aber seit 1968 ohne Leuchtturmwächter vollautomatisch.
  • Zweite Marcellusflut vom15./16./17. Januar 1362 mit wahrscheinlich 100.000 Toten. Die Sturmflut hatte außerdem große Verluste des von Menschen bebauten bzw. genutzten Landes zur Folge. Infolge dieser Naturkatastrophe versank der Ort Rungholt (siehe unten das Gedicht von D. von Liliencron). Wahrscheinlich lag Rungholt in der Nähe der Hallig Südfall. Man hatte dort Überreste der Stadt gefunden. Zudem verschwanden zahlreiche Teile des vorgelagerten Landes in der See, sodass diese Flutkatastrophe mit für die Entstehung einer Reihe von Inseln und Halligen verantwortlich war.
  • 1.Dionysius-Flut vom 9. Oktober 1374. In der Folge dieser Sturmflut erreichte die Leybucht mit einer Größe von 130 km2 ihre größte Fläche. Durch Eindeichungen hat sie mittlerweile erheblich an Größe eingebüßt.
  • Cäcilienflut vom 21. November 1412. Neben zahlreichen menschlichen Opfern entstand u.a. die Elbinsel Hahnöfersand, auf der sich derzeit eine Strafjustizvollzugsanstalt für Frauen und Jugendliche von Hamburg befindet.
  • St. Elisabethflut vom 18. November 1421. Diese Sturmflut, traf Teile der heutigen Niederlande, so den Biesbos im Delta des Rheins und der Maß, das heute ein Naturparadies mit Sümpfen, kleinen schilfbewachsenen Inseln und dschungelartigen Wäldern mit zahlreichen kleinen Wasserwegen ist. Vor der Flut war dies ein fruchtbares und bewohntes Gebiet. Durch die Sturmflut wurden über 70 Kirchdörfer zerstört und ca. 10.000 Menschen kamen ums Leben. Nach der Flut entstand hier ein Binnensee, der sich allmählich mit dem Schlamm darin mündenden Flüsse und Bäche füllte. Heutzutage ist das Gebiet weitgehend eingedeicht.
  • Cosmas-und-Damian-Flut vom 26. September 1509. Infolge dieser Flut erfolgte im Prinzip die heutige Gestalt des Dollarts und des Jadebusen
  • Antoniusflut vom 16. Januar 1511, auch als Eisflut bezeichnet; viele Menschen verloren bei dieser Sturmflut ihr Leben und es entstand ein Durchbruch zwischen Jade und Weser.
  • Allerheiligenflut vom 1. November 1570. Zahllose Deiche an der Küste der heutigen Niederlande wurden regelrecht hinweg gespült, sodass das Meer ungeheure Verwüstung anrichten konnte. Die gesamte Küste von Vlanderen über Groningen bis hin zu Nord-West-Deutschland wurde überflutet. Vor allem das Gebiet rund um Antwerpen war besonders hart betroffen, hier verschwanden vier Dörfer unter einer dicken Schicht Schlick. In einem Brief an König Philipp II. berichtete der Herzog von Alva, dass mindestens fünf Sechstel von Holland überschwemmt wären. Die Anzahl der Toten wird auf etwa 20. 000 geschätzt, während Zehntausende von Menschen obdachlos und die Viehbestände und Wintervorräte vernichtet wurden.
  • Fastelabendflut vom 26. Februar 1625. An den Gebieten der Elbe ist diese Flut auch als auch als Eisflut bekannt. Sie richtete große Schäden im "Alten Land" und der Stadt Hamburg an.
  • Burchardiflut vom 11. Oktober 1634, diese Sturmflut forderte in Nordfriesland ca. 15.000 Menschenleben und gab der deutschen Norseeküste im Wesentlichen ihr heutiges Aussehen..
  • Weihnachtsflut vom 24./25. Dezember 1717. Sie suchte nahezu die gesamte Nordseeküste heim, außerdem die Elbe und die Weser. Sie kostete wahrscheinlich ca. 12.000 Menschen und 100.000 Tieren das Leben. Außerdem wurden etwa 8.000 Häuser zerstört.
  • Sturmflut vom 3./4. Februar 1825. Diese Sturmflut war bis zum Jahr 1962 die Sturmflut mit dem höchsten Pegelstand an der deutschen Nordseeküste und im Elbegebiet. Sie erreichte am Pegel in St. Pauli einen Höchst-Wasserstand von 5,24 m über Normalnull (NN). Nach zahlreichen Deichbrüchen im Gebiet von Hamburg, im Alten Land, in Finkenwerder, Moorburg, Wilhelmsburg, Ochsenwerder und Hammerbrook kam es zu schweren Überschwemmungen. Bis 1962 war der Höchstwasserstand dieser Sturmflut der Maßstab für die Auslegung der Deiche und anderer Hochwasserschutzanlagen in Hamburg und Umgebung.
  • Ostseesturmflut vom 12./13. November 1872. Diese Sturmflut, die die Ostseeküste von Dänemark bis Pommern heimsuchte, gilt bis heute als die schwerste bekannte Sturmflut an der Ostseeküste. Von allen betroffenen Orten erlitt Eckernförde in Schleswig Holstein aufgrund seiner Lage die schwersten Schäden. Insgesamt hatte die Sturmflut über 270 Menschenleben gekostet, ca.15.000 Menschen wurden obdachlos und ca. 2.900 Häuser wurden völlig oder teilweise zerstört.
    Bei dieser Sturmflut wurde auch der Ort Prerow auf dem Darß überflutet, infolgedessen versandete der Prerow-Strom, der bis dahin die damalige Insel Zingst vom Darß getrennt hatte. Im Jahr1874 wurde der Prerow-Strom dann endgültig zugeschüttet und mit einem Deich gesichert. Heute bilden der Darß, Zingst und Fischland eine gesamte, nicht mehr untereinander getrennte Halbinsel.
  • Frieslandflut vom 13. März 1906. Diese Sturmflut brachte den höchsten bis dahin festgestellten Pegelstand an der friesischen Küste.
  • Hollandsturmflut vom 1. Februar 1953. Diese schwere Sturmflut betraf in erster Linie die Küsten der Niederlande und kostete über 2.000 Menschenleben. Er war für das Land der Anlass, umfangreiche Maßnahmen zum Schutz des zu einem Großteil unterhalb der Meeresoberfläche liegenden Landes in die Wege zu leiten. In diesem Zusammenhang entstand auch das heutige völlig durch Deiche und riesige Schleusenanlagen von der Nordsee getrennte Isselmeer.
  • Hamburger Sturmflut vom 16./17. Februar 1962 . Der Pegel in Hamburg-St. Pauli erreichte eine Höhe von 5,70 m.(siehe oben)
  • Januarflut vom 3. Januar 1976. die Haseldorfer Marsch wird nach Deichbrüchen überflutet. Aber ansonsten hielten die nach der Flut von 1962 verstärkten und erhöhten Deiche. Der Höchst-Wasserstand (Scheitel) erreichte am Pegel in St. Pauli einen Wert von 6,45 m. über Normalnull.

Schutz vor Sturmfluten

Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen der Hamburger Sturmflut wurde der Schutz vor derartigen Naturgewalten in Deutschland und anderen europäischen Ländern erheblich voran getrieben und die Deichanlagen erheblich verbessert. So lag der Pegelstand der Jahrhundertsturmflut vom 3. Januar 1976 sogar rund 1 m über dem von 1962. Dennoch hielten die seitdem verstärkten und erhöhten Deiche dem Wasser stand: mit einer Ausnahme; bei Hetlinger an der Unterelbe brach ein Deichabschitt.
Der Schutz vor den Auswirkungen von Sturmfluten besteht aus einer Reihe von Maßnahmen, wobei Deiche die zentralen und wichtigsten Schutzbarrieren darstellen

Deiche

Bereits seit langer Zeit versuchten sich die Menschen an den Küsten der Meere gegen Angriffe des Meeres zu schützen. So wie Mauern die Burgen und Städte gegen menschliche Angreifer schützen sollten, wurden Deiche gegen Sturmfluten und Hochwasser errichtet.
Die früheren Deiche waren jedoch aufgrund ihrer Konstruktion und Höhe kaum in der Lage, das Land hinter ihnen wirksam gegen größere Sturmfluten zu schützen. Und selbst die heutigen modernen Deiche brechen immer wieder, sofern der Wasserstand oder die angreifenden Wellen ein gemisses Maß an Höhe und Wucht überschreiten. In der Abbildung ist das Prinzip eines modernen Deichs schematisch dargestellt. Unter der Derme versteht man im Deichbau übrigens eine meist begehbare Waagerechte, die der Stabilisierung des Deichs dient. Die eingezeichnete Teerschicht an der Außenseite des Deichs wird nur relativ selten verwendet.
Buhnen, Stake oder andere Maßnahmen dienen erstens dem Anlanden von Sand u.ä. bzw. der Verhinderung vom Abschwemmen desselben und zweitens als Wellenbrecher. Insofern spielen sie auch für den Schutz vor Sturmfluten eine gewisse Rolle.
In den subtropischen oder tropischen Gewässern sind die vorgelagerten Korallenriffe oft ein sehr wichtiger Schutz vor den Wellen von Sturmfluten.

Sturmfluten in der Literatur

In der Literatur, aber auch in der Malerei, ist die Thematik von Sturmfluten und ihren Auswirkungen auf die Landschaft sowie auf Mensch und Tier immer wieder auf vielfältige Art und Weise dargestellt worden. Exemplarisch sei für den deutschsprachigen Raum das Werk des Husumers Theodor Storm (1817-1888): "Der Schimmelreiter" genannt.
In seiner Novelle von 1888 "Der Schimmelreiter" beschreibt er das Wirken und den Untergang des Deichgrafen Hauke Haien, der den Menschen an der Küste eine neue Art von Deichen vermitteln bzw. nahe bringen wollte. Er kam während einer Sturmflut auf dramatische Art und Weise im Meer ums Leben. Während die alten Deiche brachen hielt der von ihm konzipierte und errichtete Damm den Wellen stand.
Besonders eindrucksvoll wird in dem folgenden Gedicht "Trutz, Blanke Hans" von Detlev von Liliencron (1844-1909) der Untergang des Ortes Rungholt im nordfriesischen

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