Hirsch, Rothirsch

Systematische Einteilung

Früher fand man in vielen Wohnungen den "röhrenden Hirschen" als Bild an der Wand hängen. Derartige Bilder gelten heute wohl eher als kitschig. Aber dennoch hat der Hirsch immer noch nichts von seiner Faszination verloren, und wer das Glück hatte, im Wald einem Hirschen zu begegnen, der wird das sicherlich nie mehr vegessen.

Ordnung Paarhufer (Artiodactyla)
Familie Hirsche (Cervidae)
Tribus Echte Hirsche (Cervini)
Gattung Edelhirsche (Cervus)
Art Rothirsch (Cervus elaphus)

Ausländische Bezeichnungen

  • Englisch: Red deer
  • Französisch: Cerf rouge

Einleitung

Der Rothirsch gilt als „König des Waldes“ und ist nach dem Elch die zweitgrößte Hirschart in Europa. Bereits vor rund 17.000 Jahren verzierten die Menschen Höhlenwände mit Darstellungen von Hirschen mit teilweise gewaltigen Geweihen. Das Abwerfen und Nachwachsen ihres Kopfschmucks übte schon damals eine große Faszination auf die Menschen aus und galt auch noch später im Christentum als Symbol für die Wiedergeburt. Die steinzeitlichen Jäger jagten den Hirsch nicht nur seines Fleisches wegen, sondern auch um aus seiner Haut Kleidung und aus seinem Geweih Werkzeuge herzustellen. Später wurde aus dem Symbol in der Religion ein Zeichen für Macht.

Über Jahrhunderte blieb die Jagd auf den Rothirsch ein Privileg des Adels, weshalb man ihn noch heute zum Hochwild zählt. In Rathäusern und an Fürstenhöfen hingen prächtige Geweihe. Bei Staatsbesuchen beschenkte man sich gegenseitig mit dem Kopfschmuck kapitaler Hirsche, um sich die Gunst des anderen zu sichern. Als geradezu fanatischer Jäger gilt Hermann Göring (1893-1946), der neben zahlreichen anderen Titeln auch den Titel Reichsjägermeister trug. Auch Erich Honecker (1912-1994) und eine Reihe von Politbüromitgliedern waren begeisterte Jäger – besonders in der Schorfheide. Die Hirschjagd war zudem Beiprogramm bei politischen Treffen. Die Reichen und Mächtigen belohnten besonders treue Untertanen mit Jagdrechten. Durch die Auflösung der alten Jagdgesetze Mitte des 19. Jahrhunderts und die Neuordnung der Fluren wurden die Rothirsche im deutschsprachigen Raum beinahe ausgerottet. Heute ist ihr Bestand gesichert; vielmehr kommt es durch Winterfütterungen und das Fehlen von natürlichen Feinden zu Überbeständen, die jagdlich reguliert werden müssen, um Waldschädigungen zu verhindern

Vorkommen

Der Rothirsch bewohnt in zahlreichen Unterarten ganz Europa, Nordwestafrika, Nordpersien, Ostsibirien und Nordamerika. Der bei uns heimische Europäische Rothirsch kam ursprünglich fast flächendeckend in Europa vor. Durch die Zersiedelung seines Lebensraumes gibt es heute überall auf dem Kontinent nur noch kleinere Populationen. Große zusammenhängende Vorkommen findet man noch im Alpenraum und in Osteuropa.

Merkmale

Der kräftig gebaute, hochbeinige Rothirsch hat eine Schulterhöhe von bis zu 150 cm. Er hat einen geraden Rücken und erreicht eine Körperlänge von 170 bis 250 cm. Markantestes Zeichen des Rothirsches ist das weit ausladende und viel verzweigte Geweih des Männchens. Weibchen tragen keinen Kopfschmuck. Zweimal im Jahr findet ein Fellwechsel statt. Das Sommerfell ist rötlich gefärbt, das Winterfell graubraun. Die Männchen besitzen zudem während der Brunft eine dunkler gefärbte Halsmähne. Beide Geschlechter besitzen eine helle Partie am Hinterteil, die mit dem kurzen, behaarten Schwanz weitgehend zugedeckt ist. Sein Wedeln oder Aufstellen wird durch das Sichtbarwerden des hellen Flecks zur Kommunikation eingesetzt. Die Hirschkälber sind rotbraun gefärbt und zur Tarnung weiß gefleckt. Ausgewachsene Tiere erreichen ein Gewicht von 220 kg, wobei die Weibchen meist um 1/3 leichter sind, und werden bis zu 20 Jahre alt. Das Geweih besteht aus Knochensubstanz und bildet sich aus den Stirnbeinfortsätzen, den so genannten Rosenstöcken. Es wird bis zu 15 kg schwer und kann in Ausnahmefällen bis zu 66 Enden erreichen. Das Alter eines Männchens kann man an der Anzahl der Enden seines Geweihs abschätzen. Im Frühjahr, zwischen Februar und April, wird es abgeworfen und beginnt kurz darauf erneut nachzuwachsen. Es ist während des Wachstums von einer pelzigen und gut durchbluteten Haut, dem Bast, umgeben. Nach 5 Monaten ist es, häufig um zwei Enden bereichert, wieder vollständig ausgebildet. Dann wird der Bast an Stämmen, Büschen, Felsen und auch am Boden abgerieben, ein Vorgang, den man als Fegen bezeichnet.

Lebensweise und Lebensraum

Wo er noch ungestört ist, bevorzugt der Rothirsch Steppen und lichte Wälder. Er ist ein guter und ausdauernder Läufer, der mit seinen langen Beinen auch gut springen und schwimmen kann. Er ist stets wachsam und beobachtet mit seinen besonders gut ausgeprägten Sinnen ständig seine Umgebung, jederzeit bereit die Flucht zu ergreifen. Bei uns und in vielen anderen Teilen Europas hat er sich in die dichten Waldgebiete und Gebirgsregionen zurückgezogen. In den Wintermonaten ziehen die im Gebirge lebenden Tiere wegen des besseren Nahrungsangebots häufig in die Täler. Rothirsche sind vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv.

Als Wiederkäuer folgen bei ihnen auf die Äsungsphasen immer Wiederkäuungsabschnitte, die gleichzeitig als Ruhezeit genutzt werden. Sie sind reine Pflanzenfresser, die sich hauptsächlich von Gräsern und Kräutern ernähren und über diese auch ihren Wasserbedarf decken. Außerdem stehen Knospen und Triebe auf ihrem Speiseplan. Findet der Rothirsch keine andere Nahrung, nimmt er auch mit der Rinde junger Bäume vorlieb, die er, sehr zum Ärger des Försters, regelrecht vom Stamm schält. Zu viele Hirsche bilden daher für die Wälder eine Gefahr.

Fortpflanzung, Jungtiere

Während sich zahlreiche Tiere auf den Winter vorbereiten, indem sie sich genügend Speck für die kalten Wintertage anfressen oder Früchte in ihren Winternestern horten, ist die Zeit des Herbstes für die Hirsche geradezu eine Leidenszeit für die Paarung. So nehmen die Hirsche während der Brunftzeit keine Nahrung zu sich. Sie schlafen nur wenige Minuten am Tag und paaren sich mehrmals am Tag mit den Hirschkühen. Zu dieser Zeit verlieren die Hirsche bis zu 15 bis 20 kg ihres Körpergewichts. Ihre Geschlechtsreife erreichen die Tiere in einem Alter von ca. 24 Monaten.

Ende Oktober fressen sich die Hirsche ihre während der Brunft verlorenen Reserven wieder an, um den bevorstehenden Winter zu überleben Hirsche leben nach Geschlechtern getrennt in Rudeln, ältere Männchen treten vereinzelt als Einzelgänger auf. In weiblichen Rudeln bildet die Mutterfamilie die Grundeinheit. Diese besteht aus der Hirschkuh mit dies- und vorjährigem Kalb. Mehrere Mutterfamilien schließen sich zu einem losen Verband zusammen. Die Männchen bilden Rudel von bis zu hundert Tieren – jedoch nicht in Deutschland - unterschiedlichen Alters und Größe aus. Die Geweihe werden während der Brunft als Turnierwaffe eingesetzt und mit lautem Krachen gegeneinander geschlagen. Dabei handelt es sich jedoch um ein reines Kräftemessen und es geht nicht darum, den Gegner zu verletzen. Versehentlich zugefügte Verletzungen kommen äußerst selten vor. Steht der Sieger (Platzhirsch) fest, so paart er sich mit den Weibchen.

Nach der Paarung trennen sich die Geschlechter wieder. Nach einer Tragezeit von etwa 34 Wochen lösen sich die trächtigen Weibchen im Mai oder Juni aus dem Rudel, um danach ihr einziges Kalb – sehr selten zwei - zur Welt zu bringen. Die Kälber sind in den ersten Monaten der besseren Tarnung gelblich gefleckt und verfärben sich im erst Spätsommer nach ihrer Geburt. In den ersten Lebenstagen drücken sich die Jungtiere regungslos an den Boden und sind so relativ sicher vor Feinden. Es wird bis in den Winter von dem Muttertier gesäugt.

In einem Alter von 2 bis 3 Jahre alt, verlassen die männlichen Jungtiere die Familie und schließen sich zu eigenen Rudeln zusammen. Gegen Ende des ersten Lebensjahres entwickeln sich beim männlichen Kalb knochige Stirnzapfen, in der Jägersprache die so genannten Rosenstöcke. Zu Beginn des zweiten Lebensjahres bildet sich dann ein Erstlingsgeweih, das nur aus Spießen und ohne Rosen besteht – daher werden die Tiere auch als Spießer bezeichnet. Im darauf folgenden Frühjahr wird es abgeworfen und nach dem Abwurf wächst ein neues Geweih, jetzt aber mit Rosen und einer ersten Gabelung. Die Zahl der Geweihendungen nimmt dann von Jahr zu Jahr zu. Einen Zwölf- oder Vierzehnender zu schießen ist für manchen Jäger die Erfüllung eines Traums.

Feinde

Wölfe und Luchse spielen bei uns in Mitteleuropa als die einzigen natürlichen Feinde kaum eine Rolle - und Bären schon gar nicht. Straßenbau, Tourismus und Zersiedlung sind die größten Feinde des Rothirsches. Leider schießen vermögende Hobbyjäger oft aus lauter Freude an der Jagd die Tiere ab. Aber der Bestand gilt der IUCN zufolge in Mitteleuropa als nicht gefährdet

Besonderheiten

Die zu den Paarhufern gehörenden jagdbaren Wildarten bezeichnet der Jäger als Schalenwild. Ihren Namen gaben ihnen die verhornten Hufe, die als Schalen bezeichnet werden.

Zum Schalenwild gehören neben den Rothirschen, die zum Rotwild zählen, auch noch Wildschweine, Rehe, Damhirsche, Mufflons, Steinböcke und Gämsen. Die Feistzeit vor der Kräfte zehrenden Brunft nutzen die Männchen, um sich Nahrungsreserven anzufressen.

Diese "fetten“ Hirsche nennt der Jäger Feisthirsche. Wegen ihres fehlenden Geweihs werden die weiblichen Tiere als Kahlwild bezeichnet. Einen Hirsch ohne Geweih bezeichnet man übrigens als "Mönch".

Bawean-Hirsche

Viele Tierarten konnten nur nochin Zoologische Gärten vor dem Aussterben gerettet werden. So wurden der Davidshirsch und der Vietnam-Sika durch den Menschen in ihren natürlichen Lebensräumen ausgerottet.
In dem einzigen natürlichen Verbreitungsgebiet des Bawean-Hirsches, auf der Insel Bawean in Indonesien, leben schätzungsweise weniger als 250 erwachsene Tiere, sodass auch dieses Tier vor dem Verschwinden steht.
In der Abbildung sieht man Bawean-Hirsche im Tierpark Berlin.

IUCN

Die (International Union for Conservation of Nature and Natural Resource (IUCN) ist eine internationale Nichtregierungsorganisation. Ihre Gründung erfolgte am 8. Oktober 1948 in Fontainebleau (Frankreich) als International Union for the Protection of Nature (IUPN) Die IUCN erstellt unter anderem die Rote Liste gefährdeter Arten und kategorisiert Schutzgebiete mittels der World Commission on Protected Areas, zudem besitzt sie einen Beobachterstatus bei der UN-Vollversammlung. Ihren Sitz hat sie in Gland in der Schweiz mit Niederlassungen in über 60 Ländern.

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