Brügge: Stadtgeschichte

Auf dem Gebiet, wo heute die Stadt Brügge liegt, bestand schon im 2. und 3. Jahrhundert eine Siedlung von gallo-römischem Gepräge. Die Einwohner dieser Siedlung arbeiteten als Händler, Landwirte und betrieben enge Kontakte mit Gallien und England. Der Name Brügge aber geht auf das 9. Jahrhundert zurück, als Handelsbeziehungen mit Skandinavien die altnorwegische Bezeichnung Bryggia (= Landungsplatz) aufkommen ließen. Auch verband sich dieser Name mit dem Begriff Rogia, dem lateinischen Namen des Flusses Reie, der einst durch Brügge floss. Die älteste Erwähnung des Namens geht auf das Jahr 851 zurück. Noch im selben Jahrhundert, im Jahre 892, wurde eine Festung vom Grafen von Flandern, Balduin II. (um. 863 - 918), errichtet. Im Jahr 1128 erhielt Brügge das Stadt- und 1120 das Marktrecht.

Brügge kann auf eine lange Tradition als internationale Hafenstadt zurückschauen. Die Siedlung konnte aber erst mit dem Jahre 1134 wieder in den Genuss eines Zugangs zum Meer gelangen, nachdem Mitte des 11. Jahrhunderts das Wattenmeer vor Brügge stark versandet war. Nun aber geschah es, dass eine Sturmflut 1134 die flämische Küste völlig umformte und einen tiefen Kanal verursachte, den Zwin. Über diesen war Brügge nun wieder mit dem Meer verbunden, auch wenn sich die Stadt zusätzlich über die Flüsse Damme und Sluys behelfen musste. Bis in das 15. Jahrhundert hinein blieb Brügge so mit dem Meer verbunden. Heute erinnert nur noch der Hafen Zeebrugge an Brügges einstige Bedeutung für die Schifffahrt. Ab dem 11. Jahrhundert war Brügge ein kommerzielles Handlungszentrum für Europa geworden, und die Einwohner lebten in Wohlstand. Hochwertiges Tuch wurde produziert und in ganz Europa vertrieben. Brügge gilt sogar als Stadt mit der ersten Börse; diese soll sich im Hause des Kaufmannsgeschlechts van der Beurse befunden haben, welches in der heutigen Börse noch als Namensgeber verewigt ist. Die Börse war ein Ort des Geldtausches und des Handels.

Im Jahre 1302 schloss sich Brügge der so genannten Schlacht der Goldenen Sporne an, in welcher Flandern einen Hauptsieg gegen französische Okkupationsbestrebungen erringen konnte.

Mitte des 14. Jahrhunderts, als der zweite Stadtwall in Brügge hinzukam, lebten zwischen 40.000 und 45.000 Einwohner in der Stadt. Diese zweite Festung besteht noch immer.

Das 15. Jahrhundert markierte das Überwechseln von Flandern unter die Herrschaft der burgundischen Herzöge, welche den Luxus und Wohlstand in Brügge noch vermehrten. Es begann eine Hochzeit für die kleine Stadt an der Nordsee: Kunst, Finanzwesen und Politik machten die Stadt zu einem beliebten Anziehungspunkt für Tatenreichtum. Zeugen dieser Zeit sind dem heutigen Besucher der Stadt noch immer das Rathaus, manche Grabmäler, die Herrenhäuser und die Kunstschätze alter Meister. Bemerkt werden muss, dass nicht jeder Einwohner von Brügge von der Blütezeit profitieren konnte. Die Unterschiede im Einkommen waren enorm und führten nicht selten zu Unruhen (bspw. 1280 oder 1436-1438). Die Blütezeit endete mit dem Verschwinden des burgundischen Hofes aus Brügge zum Ende des 15. Jahrhunderts hin. Ein weiteres schicksalhaftes Ereignis war die Versandung des Küstengebietes, was Brügge als potenzielles Schifffahrtsziel uninteressant werden ließ. Antwerpen wurde nun zum Nachfolger Brügges und seines Wollhandels, obwohl sich die einstige Königin des Tuchhandels noch als Produzentin von Luxus- und Kunstgegenständen halten konnte. Hervorzuheben seien dies bezüglich die Goldschmiedereien. Die Bevölkerung der Stadt war zu dieser Zeit von 35.000 im Jahre 1340 auf etwa 50.000 im Jahre 1500 angestiegen.

Das Jahr 1524 (bzw. 1548) markierte den Übergang der Stadt Brügge an Spanien. 24 Jahre später begann der 80jährige Krieg der Niederlande um die Befreiung aus der spanischen Vorherrschaft. Der Verfall von Brügge hing damit, mit den Religionskriegen und der Abschließung von der Nordsee zusammen. Die Abspaltung der Südprovinzen (und damit auch Brügges) von den Niederlanden im Jahre 1584 führte zum endgültigen Niedergang der Stadt. Die spanische Oberherrschaft endete 1713, wurde aber abrupt von der österreichischen, 1795 von der französischen und schließlich 1815 von der niederländischen Annexion abgelöst. Das 19. Jahrhundert sah nun eine verarmte Stadt, welche von den Schrecken, aber auch von den Segnungen der Industrialisung ausgeschlossen blieb. Für die damaligen Bewohner war das eine Katastrophe, aber heutzutage profitiert die Stadt davon, da die vielen hässlichen Spuren dieser Industrialisierung an Brügge vorüber gingen.

Im 19. Jahrhundert nun erschien Georges Rodenbachs symbolistischer Roman Das tote Brügge (fr. Bruges la Morte) und brachte die vergessene Stadt in das Bewusstsein der Welt zurück. Brügge rückte als Kunststadt immer mehr in das touristische Interesse hinein. Im Jahre 1907 wurde ein Anschluss an den Seehafen Zeebrugge geschaffen, und Brügge wurde wirtschaftlich wieder interessant. Besonders Veteranen der Schlacht von Waterloo gegen Napoleon aus Großbritannien, die ihre alte Schlachtstätte besuchen wollten, kamen hier auf dem Weg dorthin vorbei und viele wurden daraufhin hier sogar sesshaft, da ihre Renten hier sehr viel mehr wert waren als zu Hause.

Die beiden Weltkriege überstand die Stadt unbeschadet. Und im Jahr 1949 wurde hier das Europakolleg untergebracht, eine europäische Hochschule mit einem immer noch hohen Renommé. Der internationale Tourismus ist bis heute ungebrochen und lässt die Stadt im Mittelpunkt vieler Europareisender stehen. Besonders gern wird die Stadt als Ziel für Klassenfahrten oder Abitursfahrten gewählt. Eine große Ehrung erfuhr das wundervolle kleine, malerische Brügge im Jahre 2002, als es zur Kulturhauptstadt Europas wurde. Zwei Jahre zuvor kam die Altstadt auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes.

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