Polen: Geschichte

Vor dem Jahr 1000

Vom Stammesgebiet der Polanan (pole = Feld) ausgehend unterwarf Herzog Miesko I. um 960 - 992 das Gebiet der Goplanen, Goplose sowie die östlich siedelnden Lendizi und Masowier. 963 machte Markgraf Gero den ersten Versuch, westlich der Oder Fuß zu fassen. Großpolen wurde nach Annahme des Christentums im Jahr 966/967 der nordöstliche Vorposten der abendländischen Staatengemeinschaft. Posen erhielt 968 ein selbstständiges Missionsbistum.
992 - 1025 konnte Boleslaw I. Chrobry (der Tapfere) in enger Bindung an das Kaisertum Kleinpolen um Krakau, Pommern, Schlesien, Mähren, die Westslowakei und die Lausitz sowie für kurze Zeit auch Prag und Kiew besetzen.

Vom Jahr 1000 bis zum 17. Jahrhundert

Auf Grund von Konflikten um die Erbfolge der polnischen Könige wurde das polnische Reich im 12. Jahrhundert in vier Teilgebiete aufgeteilt: Großpolen, Kleinpolen, Masowien und Schlesien. Die ständigen internen Kämpfe erschwerten zudem die externe Mongolenabwehr. Der Zusammenschluss von Großpolen, Kleinpolen und Kujawien führte 1320 zur dauerhaften Erhebung Polens zum Königreich.

1339/53 schied Schlesien aus dem polnischen Staatsverband aus und wurde als Teil Böhmens in das Heilige Römische Reich Deutscher Nation aufgenommen. Der im 13. Jahrhundert zur wehrhaften Unterstützung nach Masowien berufene Deutsche Orden besetzte 1308 Pommerellen und Danzig. Dies war bis 1525 ständiger Anlass für Kämpfe der polnischen Krone gegen die Ordensritter. Der Deutsche Orden sicherte das eroberte Gebiet durch Burgen und gründete Dörfer und Städte mit zumeist deutschen Siedlern.

1466 wurde das Gebiet des Deutschen Ordens (Danzig, das Culmer und Michelauer Land, Elbing und die Marienburg) nach zwei Kriegen und dem zweiten Thorner Friedensschluss an Polen zurückgegeben. Das östliche Preußen mit Königsberg verblieb dem Deutschen Orden als polnisches Lehen. Im Jahr 1618 fiel das Herzogtum Preußen an Brandenburg und musste von Polen im Vertrag von Wehlau ganz aufgegeben werden.

Seit Mitte des 14. Jahrhunderts konnten die Polen auf die Unterstützung des Königshaus Anjou aus Ungarn setzten. Im Jahr 1569 entstand eine Realunion mit dem Großfürstentum von Litauen, den Jagiellonen, was zur Lehnsabhängigkeit des Fürstentums Moldau führte.

Die mit wenigen Unterbrechungen von 1478 bis 1533 dauernden Kämpfe gegen die von den Türken unterstützten Krimtataren führten zu Verlusten der Schwarzmeerküste und zur Entlassung des Fürstentums Moldau aus dem polnischen Vasallentum. Zudem verlor Polen-Litauen Fürstentümer an das Moskauer Großfürstentum. Das Erbe von Böhmen und Ungarn traten 1526 die Habsburger an.

1561
wurden das Kurland und Livland, 1569 Wolhynien und Teile der Ukraine dem polnischen Reich angegliedert. Der erste Nordische Krieg 1655 gegen Schweden führte zum Verlust von Livland.

Im 18. und 19. Jahrhundert

Im Jahr 1772 kam es zur ersten polnischen Teilung, die eine Abtretung von 203.000 km² mit rund 4,5 Mio. Einwohnern an Preußen, Österreich und Russland nach sich zog.
Am 3. Mai des Jahres 1791 wurde in Polen die erste geschriebene Verfassung in Europa in Kraft gesetzt, die mit der Abschaffung der freien Königwahl und des liberum veto dem grundbesitzenden Adel und den Städtern politische Mitwirkungsrechte übertrug.
Die zweite polnische Teilung im Jahr 1793 bedeutete den Verlust von Großpolen, Danzig und Thorn mit 286.000 km² und etwa 3,5 Mio. Einwohnern an Preußen und Russland.
Das restliche Polen mit einer Fläche von rund 240.000 km² und ca. 3,5 Mio. Einwohnern wurde infolge der dritten polnischen Teilung im Jahr 1795 unter Preußen, Russland und Österreich aufgeteilt und verschwand damit von der politischen Landkarte Europas.
Unter Friedrich August von Sachsen wurde 1807 aus den preußischen und russischen Bezirken ein Herzogtum Warschau errichtet. Es enthielt eine von Napoleon entworfenen Verfassung und eine Verwaltung nach französischem Vorbild, kam aber nicht über den Status eines kurzlebigen Vasallenstaats hinaus.
Auf dem Wiener Kongress 1814/15 wurden die ursprünglichen Grenzen wesentlich verändert. Während Österreich den Großteil seiner Erwerbungen in Galizien verteidigen konnte, musste Preußen auf den Gewinn aus der dritten Teilung verzichten. Krakau wurde bis 1846 "Freie Stadt". Ein aus den polnischen Zentralgebieten gebildetes "Königreich Polen", dem neben einer eigenen Verfassung und Verwaltung auch eine kleine Armee zugestanden wurde, war Russland unterstellt.
1830 kam es auf Grund der repressiven Politik von Zar Nikolaus I. zum Novemberaufstand, der rücksichtslos niedergeschlagen wurde, wie auch die Aufstände in Galizien und Posen sowie der Januaraufstand 1863/64.

20. Jahrhundert bis heute

Der Kriegsausbruch im Jahr 1914 mit der Konfrontation der Teilungsmächte kam der polnischen Unabhängigkeitsbewegung entgegen. Nach Kriegsende übernahm der aus der Magdeburger Festungshaft zurückgekehrte Pilsudski im Jahr 1918 als "Vorläufiger Staatschef" die vollziehende Gewalt in Warschau. Dieser Tag wird in Polen als Neubeginn Polens begangen.
Polen war zwar nun selbständig, aber weder die Staatsform noch die Grenzen waren festgelegt. Nach Kongresspolen und Westgalizien konnten im Januar 1919 der Großteil der Provinz Posen sowie im Frühjahr auch Ostgalizien und die nordöstlichen Distrikte bis Vilna militärisch besetzt werden. Im Versailler Vertrag erhielt Polen fast ganz Posen und weitete Teile Westpreußens (Pommerellen) links der Weichsel zugesprochen. Auf Grund der von Pilsudski nicht anerkannten polnischen Ostgrenze kam es 1920 zum Polnisch-Sowjetischen Krieg. Nach Einigung mit der Sowjetunion und dem Friedensvertrag von Riga umfasste Polen im Jahr 1921 rund 338.000 km² mit rund 27 Mio. Einwohnern, darunter jedoch nur 19 Mio. mit polnischer Volkszugehörigkeit.
Infolge der umstrittenen Grenzziehung war Polen mit fast all seinen Nachbarstaaten verfeindet. Durch das Bündnis mit Frankreich 1921 war Polen wichtigster Partner zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Es war jedoch mit der Aufgabe, die beiden Nachbarn zu neutralisieren überfordert.

Der 2. Weltkrieg
Am 1. September 1939 löste Hitler mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus. Der Angriff begann nicht mit der Beschießung der Westerplatte durch das in der Danziger Bucht zu Besuch weilende Kriegsschiff "Schleswig Holstein" - sondern wenige Stunden vorher mit der Bombardierung der Kleinstadt Wielun, die nahezu vollständig zerstört wurde. Zeitzeugen legen den Angriffsbeginn auf 04.40 Uhr fest. Heute leben hier wieder ca. 24.000 Menschen.
Um einen Vorwand für den Überfall auf Polen zu haben und vor allem, um einen Angriff der Polen auf Deutschland darzustellen, wurden von der SS drei Angriffe der Polen auf deutsche Einrichtungen insziniert: Auf das Zollhaus bei Hochlinden, das Forsthaus in Pitschen und - besonders auf den Sender Gleiwitz (heute Glewice) in Oberschlesien. Der Angriff auf den 1935 erstellten Sender Gleiwitz wurde von dem SS-Sturmbannführer Alfred Naujocks geleitet undsollte der Weltöffentlichkeit klarmachen, dass der Krieg von Polen ausgegangen war. Dabei war den SS-Leuten entgangen, dass der Sender gar kein eigenes Programm ausstrahlte sondern nur das Programm des 150 km entfernten Senders aus Breslau verbreitete. Daher wurde der in Polnisch verfasste Aufruf zum Aufstand gegen die Deutschen nur in unmittelbarer Nähe des Senders gehört werden. Der Sender existiert noch heute und ist mittlerweile Teil des städtischen Museums.

Nach dem schnellen Vorstoß der deutschen Truppen und dem zusätzlichen Einfall der Roten Armee in Ostpolen kapitulierten die Verteidiger von Warschau. In den polnischen Ostgebieten, die der Weißrussischen und Ukrainischen Sowjetunion eingegliedert wurden, lebten unter den 13 Mio. Einwohnern über 5 Mio. Menschen mit polnischer Muttersprache, die Terrormaßnahmen zum Opfer fielen. Die Deportation erfasste vor allem die staatlichen, religiösen und kulturellen Vertreter des Polentums. Von den rund 300.000 Kriegsgefangenen überlebten nur 82.000. Vor allem die Leugnung der Ermordung von über 12.000 polnischen Offizieren Anfang 1940 in den Wäldern von Katyn, einem Dorf ca. 20 km westlich von Smolensk in Russland, hat das polnisch-sowjetische Verhältnis über Jahrzehnte belastet. Der Westen Polens wurde seit 1939 von deutschen Truppen besetzt und als "eingegliederte Ostgebiete" unmittelbar mit dem Reich vereinigt. Der östliche Teil wurde ein "Nebenland" des Deutschen Reichs. Etwa 1 Mio. Polen gingen größtenteils als Zwangsarbeiter nach Deutschland, wo sie durch ein "P" an der Kleidung gekennzeichnet waren.
Die brutale deutsche Besatzungspolitik löste eine umfassende Bereitschaft zum Widerstand im Untergrundkampf aus. Bis 1943 wuchs die bewaffnete polnische "Heimatarmee" bis auf 350.000 Mann an. Die deutschen Streitkräfte wurden im Winter 1945 von der sowjetischen Armee aus Polen verdrängt.
Ein besonders wunderbares Zeugnis des Mutes der Polen ist der Warschauer Aufstand. Etwa 45.000 polnische Widerstandskämpfer begannen am 1. August 1944 einen Aufstand gegen die deutschen Besatzer, die auf 39.000 Mann verstärkt worden waren. Die Polen waren den Deutschen an Bewaffnung weit unterlegen, kämpften aber dennoch heldenhaft bis zum 3. Oktober - dem Tag ihrer Kapitulation. Es fielen bei den Kämpfen ca. 10.000 Deutsche und 15.000 Polen. Aber die NS-Herrscher ließen ihren Hass und ihre Wut vor allem an der Zivilbevölkerung aus und ermordeten bis zu 225.000 Menschen. Außerdem wurde die Stadt weitgehend zerstört. Eine fragwürdige Rolle spielte dabei die Rote Armee, die auf der anderen Seite der Weichsel das Ende der Kämpfe abwartete, um erst dann eizugreifen. Man wollte keine siegreichen Polen - zumal noch Nichtkommunisten.

Nach dem Krieg
Nach der Befreiung Polens wurden die meisten Deutschen aus den Ostprovinzen und den ehemaligen polnischen Ostgebieten vertrieben, was die gewaltigste Bevölkerungsverschiebung des 20. Jahrhunderts nach sich zog. Im Zweiten Weltkrieg wurden ca. 6 Mio. Polen getötet. Darunter waren über 85% des jüdischen Bevölkerungsanteils Polens, von der sie sich bis heute nicht erholt haben..

Am 22. Juli 1952
wurde die neue polnische Verfassung verabschiedet. Man orientierte sich dabei am sowjetischen Beispiel. Die sozialistische Partei übernahm die alleinige politische Macht in Polen. Eine starre Planwirtschaft und die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft bestimmten die polnische Wirtschaft.

1968 kam es zu einer, von Sicherheitsorganen niedergeschlagenen Studentendemonstration gegen das Regime. Auch 1970 gab es blutige Zwischenfälle bei Demonstrationen von Arbeitern in mehreren polnischen Industriestädten gegen die wirtschaftliche Stagnation. Eine Reihe von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zugeständnissen der Regierung entspannte jedoch die explosive Lage bis zu neuen Streikwellen im Jahr 1980. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Unruhen, Streiks und Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den Gewerkschaften. Eine bedeutende Rolle im Widerstand gegen das kommunistische Unterdrückerregime spielte die im Jahr 1980 von Lech Walesa (geb. 1943) mit gegründete Gewerkschaft "Solidarnosc", deren Vorsitzender er wurde. Für sein Wirken erhielt Walesa im Jahr 1983 den Friedensnobelpreis und er wurde am 9. Dezember 1990 in einer direkten Wahl vom Volk zum ersten frei gewählten Präsidenten gewählt. Bei der nächsten Wahl Im Jahr 1995 unterlag er jedoch dem Altkommunisten Aleksander Kwasniewski. Als er im Jahr 2000 dann noch einmal bei den Präsidentschaftswahlen antrat, war die "Solidarnosc" so zerstritten und sein Ansehen auf einem derartigen Tiefpunkt, dass Walesa weniger als ein Prozent der abgegebenen Stimmen errang.
Die politisch-gesellschaftliche Lage in Polen änderte sich endgültig im Jahr 1989 mit der Ablösung der kommunistischen Herrschaft durch freie Wahlen. Einen wesentlichen Beitrag im Kampf gegen die Kommunisten leistete neben Walesa und anderen auch der polnische Kardinal Karol Wojtyla (1920 - 2005), der am 16. Oktober 1978 zum Papst Johannes Paul II. gewählt wurde und der am 2. April 2005 verstarb. Seit den ersten freien Wahlen nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1989 ist Polen ein demokratisch geführtes Land. 1991 wurde Polen volles Mitglied des Europarates. Seit 1999 ist Polen Mitglied der NATO und seit dem 01.05.2004 ist Polen in der Europäischen Union.
Bei der Wahl am 21. Oktober 2007 siegte die "liberale Bürgerplattform (PO)" unter ihrem Vorsitzenden Donald Tusk (geb. 1957) mit 41,4% der Stimmen gegen die rechtskonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit (PiS)" unter dem Regierungschef Jaroslaw Kaczynski (geb.1949) mit 32,2%. Die Wahlbeteiligung war mit 55,3% für Polen sehr hoch. Damit wurde Jaroslaw Kaczynski als Regierungschef abgewählt. Sein Zwillingsbruder Lech Kaczynski bleibt aber unabhängig davon Staatspräsident von Polen. Am 16. November 2007 wurde Tusk dann von Staatspräsident Lech Kaczynski als neuer Ministerpräsident des Landes vereidigt.

Flugzeugabsturz bei Smolensk
Am Morgen des 10. April 2010 stürzte die polnische Präsidentenmaschine kurz vor dem Flughafen in Smolensk ab. Bei dem Absturz kamen 97 teils hochrangige Vertreter der polnischen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Elite ums Leben - darunter auch der Präsident des Landes Lech Kaczynski und seine Ehefrau Maria. Die Delegation war auf dem Weg zu einer Gedenkfeier in Katyn, um dort der von der sowjetischen Geheimpolizei vor 70 Jahren ca. 22.000 ermordeten polnischen Offiziere und anderen Angehöriger der damaligen polnischen Elite zu gedenken. Der Absturz ist höchstwahrscheinlich auf einen Pilotenfehler zurückzuführen, der trotz mehrfacher Warnung des Towers wegen des starken Nebels nicht in Smolensk zu landen, dies dennoch versuchte. Am 18. April 2010 wurden Lech Kaczynski und seine Frau Maria in Gegenwart zahlreicher Staats- und Regierungschefs in der Wawel-Kathedrale in Krakau beigesetzt.

Wahlen
Am 20 Juni 2010 fand nach dem Tod von Lech Kaczyński die erforderliche Neuwahl für das Amt Staatspräsidenten statt. Es kandidierten 10 Personen. Da keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erhielt, mussten die beiden erstplatzierten Kandidaten Bronisław Maria Karol Komorowski (geb. 1962) - 41,5% und der Zwillingsbruder des früheren Präsidenten - Jarosław Aleksander Kaczyński (geb. 1949) - 36,5% - am 4. Juli in eine Stichwahl gehen. Diese Wahl gewann Komorowski mit rund 52,6% der Stimmen.

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