Fusionskraftwerk

Kurzübersicht

In einem Kernkraftwerk wird angereichertes Uran-235 mit Hilfe von Neutronen gespalten und die dabei freigewordene Energie letztendlich zum Betrieb von Turbinen zur Stromerzeugung verwendet. Dabei fällt u.a. stark radioaktiver Abfall an, für den es immer noch kein Endlager gibt. In einem Fusionskraftwerk dagegen werden die beiden Wasserstoffisotope Deuterium H-2 und Tritium H-3 verschmolzen (fusioniert). Dabei fällt nur schwach- und mittelradioaktiver Abfall an. Außerdem ist Deuterium nahezu unbegrenzt im Meerwasser vorhanden, währen das Tritium im Reaktor mit Hilfe von Lithium erzeugt wird. Damit wäre ein Land bei der Energie-Versorgung mit Hilfe eines Fusionskraftwerks autonom und nicht auf den Import von Uran angewiesen. Es würde damit die Kernfusion im Inneren der Sonne als Vorbild genommen

Physikalische Grundlagen

Es sei darauf hingewiesen, dass im Zentrum der Sonne bei extrem hohen Temperaturen von rund 15 Millionen Grad Celsius und einem extremen Druck von 200 Milliarden Bar Wasserstoffatome langsam und kontrolliert zu einem Heliumatom verschmelzen und damit die Energie liefert, ohne die es kein Leben auf der Erde gäbe und hier Dunkelheit und Eiseskälte herrschen würden. Das Prinzip der Kernfusion gilt für die Explosion einer Wasserstoffbombe, nur hier läuft diese Fusion ungleich schneller ab – in dem Bruchteil von Sekunden. Ein Fusionsreaktor soll durch die kontrollierte und langsame Fusion von Deuterium und Tritium (schwerer und überschwerer Wassersoff) große Mengen an Energie liefern.

Für die verwendete Deuterium-Tritium-Fusion wird typischerweise ein Verhältnis dieser beiden Wasserstoffisotope von 1:1 verwendet, da die Reaktion der beiden Isotope bei einer Fusion am effizientesten abläuft. Durch die Fusion von einem Deuterium- und einem Tritium-Kern entstehen ein Helium-4-Kern, ein schnelles Neutron und viel Energie. Es entfällt u.a. die Beschaffung und Aufbereitung von Uran. In einem Fusionsreaktor herrscht zudem ein Druck von nur einigen Bar - aber dagegen eine Temperatur von etwa 150 Millionen °C. Bei der Fusion von 1 Molekül H-2 und 1 Molekül H-3 werden 2,7.10-12 Joule frei. 1 Joule ist eine Wattsekunde.

1J = 1 Ws

Deuterium
Der Atomkern von Deuterium (D bzw. H-2) besteht aus einem Proton und 1 Neutron, er ist daher rund doppelt so schwer wie Wasserstoff H-1, das nur aus 1 Proton besteht. Deuterium ist nicht radioaktiv.
In 1 m³ Meerwasser beispielsweise befinden sich etwa 33 g Deuterium, es ist daher in nahezu unbegrenzter Menge vorhanden.

Tritium
Tritium (T bzw. H-3) ist überschwerer Wasserstoff, dessen Atomkern aus einem Proton und zwei Neutronen besteht, er ist daher etwa dreimal so schwer wie der Atomkern des Wassersoffs. Tritium ist ein Betastrahler, der mit einer Halbwertszeit von 12,32 Jahren in stabiles Helium-3 zerfällt. Das für die Fusion erforderlicheTritium wird im Fusionsreaktor erbrütet, da es in der Natur nur extrem selten vorkommt. Dies geschieht dadurch, dass die bei der Fusion entstandenen Neutronen auf Lithium-6 Atome treffen und in der folgenden Reaktion Tritium erzeugen. Dies geschieht im Fusionsreaktor, im so genannten Blanket, das die Innenwand des Fusionsreaktors umgibt.

Li-6 + n ----> He-4 + T + 4,78 MeV

(1 MeV = 1,60218 ·10 -13 Joule)

Warum ein Fusionsreaktor bzw. Fusionskraftwerk?

Die Gewinnung von Energie mit Hilfe von Kernkraftwerken ist in Deutschland - nicht zuletzt wegen der großen Mengen an hochradioaktiven Abfällen und des Reaktorunfalls vom 11. März 2011 in Fukushima in Japan - am 15. April 2023 beendet worden. Die letzten deutschen Atomkraftwerke waren Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Aufgrund seiner Funktionsweise, kann es bei einem Fusionskraftwerk zu keinem die Umwelt
belastenden Unfall bzw. Störfall wie in einem Kernkraftwerk kommen Mithilfe der Kernfusion können zudem
große Energiemengen aus geringen Mengen Fusions-Brennstoff erzeugt werden. So kann beispielsweise aus
1 g Fusionsmaterial (D und T) eine Energie von 90.000 kWh gewonnen werden, was etwa der Energie von 11 Tonnen Steinkohle entspricht.

Wenn es ein kommerzielles dauerhaft funktionierende Fusionskraftwerk gibt, könnte die Fusionsenergie neben dem Strom aus erneuerbarer Energie ein bedeutender Teil des Stroms in der Zukunft werden. Bereits seit den 1950er Jahren versuchen daher Wissenschaftler weltweit die Energie der Sonne für die Energiegewinnung nutzbar zu machen. Trotz zahlreicher wissenschaftlicher Durchbrüche in jüngster Zeit ist es immer noch offen, ob die Fusionsenergie wirtschaftlich nutzbar gemacht werden kann und welcher technologische Ansatz sich am Ende durchsetzen wird.

Reaktorarten

Ein Fusionskraftwerk besteht im Prinzip aus dem Fusionsreaktor, in dem die erforderliche Energie erzeugt wird, um dann mit Hilfe der innere Schale - dem gekühlten Blanket - die Energie der dabei entstandenen Neutronen über Wärmeaustauscher abzuleiten. Außerdem befindet sich in dem Blanket Lithium, das mit Hilfe der freigesetzten Neutronen das erforderliche Tritium erzeugt. Das Blanket muss derzeit etwa ausgetauscht werden, was etwa Stunden in Anspruch nimmt. Die im Reaktor erzeugte Energie wird dann letztendlich zum Betrieb konventioneller Turbinen zur Stromerzeugung genutzt.

Es ist sehr aufwendig und kompliziert, Fusionsprozesse in Laboren oder Kraftwerken in Gang zu setzen, denn Atomkerne sind positiv geladen und gleiche Ladungen stoßen sich ab. Um die Kerne dennoch zu fusionieren, sind hohe Temperaturen und hoher Druck nötig. Der hohe Druck kann jedoch vermieden werden durch eine extrem hohe Temperatur. Deshalb liegt der Fusionsbrennstoff als Plasma vor. Eine Kernfrage der Fusionsforschung ist daher, wie man das Plasma erzeu-gen und räumlich einschließen kann. Auch das beste Metall würde bei den erforderlichen 150 Millionen Grad auf der Stelle verdampfen. Daher muss das Plasma von der Reaktorwand ferngehalten werden. Das geschieht mit Hilfe der beiden folgenden Methoden.

Hinweis
Ein Plasma ist in der Physik der vierte Aggregatzustand. Es ist ein ionisiertes Gas, das aus freien Elektronen und Ionen besteht. Es kommt z.B. in Sternen, Blitzen und Polarlichtern vor. In der Medizin ist Plasma übrigens der flüssige, gelblich-klare Bestandteil des Blutes, der Nährstoffe, Proteine und Hormone transportiert.

Magnetfusionsreaktor
Sterne halten das Plasma durch ihre gewaltige Gravitation zusammen, auf der Erde ist das natürlich nicht möglich. Man kann das Plasma allerdings mit Hilfe von Magnetfeldern einschließen. Dieser Ansatz wird bei der Magnetfusion verfolgt. Dabei werden komplexe Magnetfelder mit Hilfe von supraleitenden Spulen mit einer Stärke von etwa 3,5 Tesla, die sich um den Reaktor herum befinden, verwendet. Dabei werden Temperaturen von etwa 150 Millionen °C und Drücke von einigen Bar erzeugt. Zum Vergleich: MRT-Geräte in der Medizin verwenden meisten Magnetfelder mit einer Stärke von 1,5 Tesla.

Die Zündung des Plasmas erfolgt derzeit mit Hilfe von Mikrowellen mit einer Frequenz von 100 bis 200 Gigahertz und einer Energie von über 1 Megawatt. Zum Vergleich: Eine Haushaltsmikrowelle arbeitet mit Frequenzen von 2,45 Megahertz mit einer Energie von etwa 1 Kilowatt. Man unterscheidet bei diesen Reaktortyp Tokamak- und Stellator- Reaktoren:

- Tokamak
Bei dieser Methode wird das Magnetfeld größtenteils durch Strom erzeugt, der durch das Plasma fließt. Dieser Reaktortyp kann nur gepulst betrieben werden.

- Stellator
Bei diesem Reaktortyp wird das Magnetfeld durch komplex geformte superleitende äußere Spulen erzeugt. Er kann im Dauerbetrieb arbeiten. Dieser Reaktortyp bildet die Grundlage der hiesigen Darstellung. In Greifswald steht die derzeit größte deutsche Stellatoranlage.


Trägheitsfusionreaktor, Laserfusionsreaktor
Ein alternatives Konzept ist die Trägheitsfusion. Hierbei bringen hochenergetische Laser- oder Teilchenstrahlung von außen den Fusionsbrennstoff schnell auf sehr hohe Temperaturen und Dichten. In der Zeit, in der sich das Plasma ausdehnt, können schon ausreichend viele Fusionsreaktionen stattfinden.

In beiden Reaktortypen übertragen die bei der Fusion entstandenen Neutronen ihre Energie auf eine Art Platte (BlankeT), die diese Energie letztendlich Wasser in Wasserdampf verwandelt, mit der dann Turbinen – wie in einem konventionellen Kraftwerk - zur Stromerzeugung dienen.

Radioaktiver Abfall

Auch in einem Fusionsreaktor entsteht radioaktiver Abfall, der durch die Aktivierung der Reaktorwände durch die energiereichen Neutronen verursacht wird. Dieser Abfall ist im Wesentlichen schwach- bis mittelradioaktiv.
Neben diesen aktivierten Komponenten müssen auch das radioaktive Tritium, das im Reaktor selbst erzeugt und verbraucht wird, und andere, weniger aktive Materialien nach dem Ende der Laufzeit sicher verwahrt werden.

Kernspaltungsreaktoren produzieren pro Jahr etwa 20–30 Tonnen hochradioaktiven Abfall, Fusionsreaktoren produzieren signifikant weniger hochradioaktiven Abfall, aber mehr schwach- und mittelradioaktiven Abfall.
Für den Versuchsreaktor "DEMO“ geht man bei einer 20-jährige Betriebsdauer von einer Menge bis zu 50.000 Tonnen schwach und mittelradioaktiven Abfalls aus.

Hinweis
Derzeit (2026) lagern in Deutschland mehr als 120.000 m³ schwach- und mittelradioaktiver Abfälle. Diese machen einen Großteil des Gesamtvolumens radioaktiver Abfälle aus. Sie müssen jedoch wie die hochradioaktiven Abfälle ebenfalls endgelagert werden. Die Dosis schwach radioaktiver Substanzen gilt als unbedenklich, wenn sie unter einem Grenzwert von 10 Mikrosievert pro Jahr liegt. Die durchschnittliche natürliche Strahlenbelastung in Deutschland beträgt etwa 2,1 Millisievert (mSv) pro Jahr

Blick in die Zukunft

In Deutschland soll zukünftig das weltweit erste Fusionskraft-werk stehen, das zuverlässig Strom erzeugt.
Mit Hilfe des Förderprogramms "Fusion 2040 – Forschung auf dem Weg zum Fusionskraftwerk" verfolgt das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) das Ziel, die Voraussetzungen für den Bau und den Betrieb von Fusionskraftwerken zu ermöglichen. Aufgrund der Komplexität eines Fusionskraftwerks müssen viele neue oder weiterentwickelte Technologien gefördert werden. Es sind folgende Entwicklungsstufen vorgesehen.

Bis zur ersten Hälfte der 2030er Jahre – Forschungs- und Entwick-lungsphase
Die Wissenschaftler entwickeln die technologischen Ansätze und die für ein Kraftwerk nötigen Komponenten weiter. Dabei wählen gemein-sam aus, welche Ansätze und Pfade die besten Aussichten auf Erfolg haben, um diese weiter zu verfolgen. Gleichzeitig wird die Forschungs-infrastruktur ausgebaut und es werden Unternehmen unterstützt, so-dass Wissenschaft und Industrie sehr gut zusammenarbeiten können.

Erste Hälfte 2030er bis Anfang 2040er Jahre - Transferphase
Unternehmen nutzen die neuen Erkenntnisse, sodass der erster Proto-typ eines Kraftwerks gebaut werden kann.
Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik klären Fragen zum Betrieb, der Zwischenlagerung und zum weiteren (internationalem) Rechtsrahmen.

Ab den 2040er Jahren - Betriebsphase
In der letzten Phase sollen Fusionskraftwerke errichtet und in Betrieb genommen werden. Man rechnet in einem funktionierenden Fusions-kraftwerk mit einer thermischen Leistung von etwa 3 Gigawatt und ei-ner elektrischen von etwa 1 Gigawatt. Das entspricht etwa der Leistung eines Kern- oder Kohlekraftwerks. Der Strom aus den
Fusionskraftwerken ergänzt dann den Strom aus erneuerbaren Energien, vor allem bei Windstille und schwachem oder fehlendem Sonnenlicht. Deutschland verfügt über hervorragendes Wissen in den Bereichen der Lasertechnik, Materialforschung oder der Plasmaphysik. Gelingt es, den derzeitigen Vorsprung in diesen Feldern auszubauen, macht das die Bundesrepublik zu einem weltweit unverzichtbaren Schlüsselakteur im Bereich der Fusionstechnologie.

Quellen und Hinweise

Max-Plank-Institut für Plasmaphysik
(Garching, Greifswald)
Universität Greifswald
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor)
Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR)
Prof. Theodor Mayer Kuckuk†
KI Gemini
KI Perplexity
Wikipedia
Dr. Bernd Ramm
Tatjana Kruse-Asthalter