Vom Anfang bis 1827
Etwa um 1200 v. Chr. besiedelten die Phönizier das Gebiet der heutigen Stadt. Nach Beendigung der drei Punischen Kriege zwischen Rom und Carthago gelangte die Ansiedlung 146 v. Chr. unter die Herrschaft der Könige von Mauretanien. Als Icosium gehörte sie ab 42 n. Chr. zur römischen Provinz Mauretania Caesariensis. Viele Jahre später, im Jahr 429, eroberten die Vandalen unter König Geiserich (389-477) die Ortschaft. Ab 533 war sie Teil des Byzantinischen Reiches, bis sie im Jahre 681 von arabischen Truppen zerstört wurde. Im 16. Jahrhundert, nach der Rückeroberung Granadas im Jahr 1492 durch die spanische Königin Isabella I. von Kastilien (1451-1504) und König Ferdinand II. von Aragón (1452.1516), hatten muslimische Seeräuber (Korsaren), von denen viele aus Spanien geflohen waren, Algier, Tunis, Tripolis und Marokko zu ihrer Basis gemacht. Von hier begannen sie einen Kleinkrieg gegen die Handelsschifffahrt der christlichen Mittelmeermächte zu führen. Das führte dazu, dass etwa 40% der Bewohner Algiers versklavte Europäer waren. Der bekannteste Korsarenführer war Khair ad-Din Barbarossa (1478.1546), unterstellte er sich und sein Herrschaftsgebiet 1521 dem osmanischen Sultan, der seinen Herrschaftsbereich auf Nordafrika ausdehnte.
Algier wurde in den Jahren 1682/1683/1688 von der französischen Flotte beschossen, wurde aber erst 1711 von Istanbul faktisch unabhängig. Im Jahr 1541 schickte Karl V. (1500-1558), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und König von Spanien, seine Truppen gegen Algier. Aber er blieb, wie die Dänen 1770 und Spanier, mit seiner Armee 1775 erfolglos.
Erst 1805 gelang es Jérôme Bonaparte (1784.1860), ein Bruders Napoleons (1769-1821), eine größere Anzahl italienischer Gefangener freizukaufen. Aber auch einem britischen Geschwader mit 19 Kriegsschiffen, unterstützt von 11 niederländischen Fregatten, gelang es am 27. August 1816 nicht, die Stadt zu erobern. Ein Erfolg war jedoch, dass Marineeinheit den Dey Omar von Algier durch die Zerstörung seiner Flotte und den Beschuss Algiers und ihrer Befestigungen einen Vertrag erzwingen konnte, der zur Freilassung der christlichen Sklaven und der Rückzahlung von Lösegelder führte. Mit der Stärkung der christlichen Seefahrermächte, vor allem Großbritannien, Frankreich und der Niederlande, verlor die Seeräuberei gegen den christlichen Handel im Mittelmeer zunehmend an Bedeutung, wobei die Piraterie der Korsaren mit der Schlacht von Navarino am 20. Oktober 1827 ein Ende fand, als die Kriegsschiffe der mit dem Osmanischen Reich verbündeten Barbaresken, zerstört wurden.
Franzosen in Algier
Ein ungewöhnlicher Vorfall ereignete sich am 29. April 1827, als der Dey von Algier, Hussain III (), den französischen Konsul bei einer Audienz mehrmals mit dem Fliegenwedel geschlagen hatte .Der Grund war, dass der Konsul mit einer Beleidigung die Bitte des Deys abgelehnt hatte, den Kredit zurückzuerstatten, den er 1796 an Napoleon Bonaparte während des Italienfeldzuges gewährt hatte. Die Franzosen sahen darin einen Anschlag auf die Ehre ihres Landes, was dazu führte dass König Karl X. () dem Dey den Krieg zu erklärte.. Daraufhin wurde am 16. Juni 1827 damit begonnen, den Hafen von Algier drei Jahre lang zu blockieren. Danach erfolgte eine Militäraktion gegen Algier, die am 5. Juli 1830 Algier zu Fall brachte und 1830 Algier Hauptstadt der französischen Kolonie wurde. Dabei wurde die u.a. Ketschawa-Moschee zu einer christlichen Kathedrale umgewandelt. In den 1830er und 1840er Jahren siedelten sich vor allem Männer aus Frankreich, den Balearen und Italien hier an. Ende 1841 lebten 15.700 Christen, 12.730 Muslime und 6.160 Juden in der Stadt Ab den 1900er Jahren wurde der neo-maurische Stil zunehmend von einem modernen oder avantgardistischen Baustil abgelöst. Die Europäer, die sich weiterhin Colons (Siedler) nannten, führten ein städtisches Leben, sie besaßen wenig bis gar keine Kenntnisse des Landesinneren oder der Geschichte des Landes. Nur sehr wenige Europäer sprachen zudem Arabisch.
Mit dem Wachsen der Wirtschaft nahm die Einwohnerzahl rasch zu, so lebten 1896 hier 130.700 Menschen, davon waren 63.750 Franzosen und 24.970 waren andere Europäer Nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) wuchs die muslimische Bevölkerung und entstand eine muslimische Gesellschaftsschicht, die Französisch sprach und nach europäischen Kriterien gebildet war. Unter dem französischen Politiker und Diplomaten Charles Jonnart (1857-1927) kam es im Februar 1919 zu rechtlichen Verbesserungen für die muslimischen Bewohner. Im Jahr1931 entstand die Association des oulémas musulmans algériens. Am 7. Juni 1936 lud diese islamische Organisation zu einem Kongress ein und forderte eine parlamentarische Repräsentation für die Muslime. Der Kongress wählte eine vom Kongress gewählte Delegation unter Leitung von Ferhat Abbas und am 23. Juli 1936 kam es zu Gesprächen. Bereits 1932 hatte der schweizerisch-französische Architekt Le Corbusier (1887-1965) den wahnsinnigen Plan. Algier abzureißen und die Innenstadt durch ein einziges für Autos befahrbares Gebäude zu ersetzen. Die europäischen Bewohner Algiers (Algéroi) waren jedoch nicht nur reaktionäre Siedler, da auch Künstler aus Europa ins Land kamen, um in Algerien vorübergehend dem Zauber des Orients zu spüren.
Zweiter Weltkrieg, Algerienkrieg und Unabhängigkeit
Algerien gehörte im Zweiten Weltkrieg nicht zu dem von Deutschland besetzten Frankreich, sondern gehörte zum Regime des Kollaborateurs Henri Philippe Pétain (1856-1951). Am 7. November 1942 landeten US-amerikanische und britische Soldaten zusammen mit französischen Widerstandskämpfern in Algier und weiteren Städten Nordafrikas. Daraufhin hatten am frühen Morgen des 8. Novembers 1942 Angehörige der französischen Résistance Teile des Vichy-Regimes festgesetzt. Aber die nicht ausreichend bewaffneten Résistancekämpfer konnten den Angriffen der Vichy-Truppen danach nur rund 15 Stunden standhalten, was aber den Alliierten ermöglichte, Algier einzukreisen. Daher konnten US-amerikanische und britische Soldaten Algier noch am Abend des gleichen Tages ohne großen Widerstand erobern. Am 10. August 1956 kam es infolge einer von europäischen Siedlern gezündeten Bombe zu 60 toten Muslimen. Als Rache dafür ermordete die algerisch-nationalistische Rebellenorganisation (FLN) am 30. September 1956 drei Europäer und verletzte 50. Von Januar bis Oktober 1957 kam es während des Algerienkrieges zur Schlacht von Algier, in der sich die französische Armee und die FLN bekämpft hatten.
Am 7. Januar besetzten 8.000 französische Fallschirmspringer die Kasbah (Altstadt) von Algier. Am 26. Januar 1957 explodierten fast gleichzeitig Bomben in der Bar im Stadtzentrum, was zu 4 Toten und 37 Verletzten führte. Am 28. Januar wurde von der FLN ein Generalstreik ausgerufen. Europäer begingen zwei Lynchmorde an Muslimen und Kriegsverbrechen der Franzosen folgten, darunter waren Massenverhaftungen mit dem Verschwinden von 3.024 Menschen in neun Monaten, Zudem kam es zu systematischer Folter und Deportationen durch die Fremdenlegionäre unter dem General Jacques Massu (1908-2002) sowie von Lynchtrupps der französischen Pied-noir. Obwohl die Schlacht von Algier im Januar bis September 1957 für die FLN einer militärischen Niederlage gleichkam, errang sie dennoch einen politischen Sieg. Der grausame staatlich geduldete Einsatz von Folter hatte Frankreich international diskreditiert und wurde auch von großen Teilen der französischen Bevölkerung als skandalös empfunden worden. Als Charles de Gaulle (1890-1970) am 16. September 1959 seine Unterstützung einer selbstbestimmten Algérie algérienne kundtat, erklärten zahlreiche Siedler der Fünften Republik den Krieg, um eine rechtsextreme neue Ordnung zu errichten.
Im März 1962 war es zwischen der französischen Armee und der französischen Terrorgruppe Organisation de l’Armée Secrète (OAS) zur „Schlacht von Bab El Oued“ mit 35 Toten gekommen. Französische Soldaten erschossen am 26. März 1962 in Algier 46 Europäer, während 20 Verletzte später verstarben. Die OAS brannte die Hauptbibliothek nieder. Am 19. März 1962 kam es zu einer Waffenruhe, worauf rund 1,4 Millionen Pied-noirs das Land verließen und nach Frankreich gingen. Am 5. Juli 1962 erklärte die am 19. September 1958 gebildete Provisorische Regierung der algerischen Republik (GPRA) Algerien für unabhängig. Die von der FLN gebildete provisorische Regierung unter Ferhat Abbas wurde von Frankreich, den USA und mehreren arabischen Ländern als Vertretung des nun souveränen Staates anerkannt
Algier nach der Unabhängigkeit
Die von der algerischen Regierung initiierte und gelenkte „Entwicklungsschlacht“ mit dem Aufruf „Kauft algerische Produkte!“ scheiterte daran, dass die Regierung viele ihrer Versprechungen nicht erfüllen konnte. Infolgedessen kam es im Oktober 1988 in Algier und weiteren Städten des Landes zu Aufständen, die zum Verlust des Machtmonopols der FLN führten. Im März 1989 wurde in der Ben-Badis-Moschee in Algier die Islamische Heilsfront gegründet, wobei der wirtschaftliche Niedergang zur Stärkung der islamistischen Bewegung geführt hatte. Nach dem erwarteten Sieg der Heilsfront bei den Parlamentswahlen 1991/1992 wurden die Wahlen abgebrochen. Man ging sogar noch weiter und ordnete März 1992 die Auflösung der FIS an, was sie nicht hinnehmen wollte und zum bewaffneten Kampf aufrief. Es kam zum Bürgerkrieg zwischen den militanten Islamisten und der algerischen Regierung, dem Zehntausende in Algier und im restlichen Land zum Opfer fielen. In der Rede von Jacques Chirac (1932-2019) im März 2003 vor der Versammlung beider Parlamentskammern wurde sein Vorschlag von zwei wichtigen Führern der Schlacht von Algier positiv aufgenommen. Daraufhin stimmten am 30. September 2005 die algerischen Wähler, darunter auch die meisten Einwohner Algiers, für eine innenpolitische Versöhnung.
In einer Abstimmung über die „Charte pour la paix et la réconciliation nationale“ (Carta für Frieden und nationale Versöhnung) stimmten rund 97% der Wähler dem Plan der Regierung von Abdelaziz Bouteflika (1937-2021) zu. Der Plan beinhaltete u.a. eine Amnestie für zahlreiche islamische Extremisten. Leider gab es auch nach der Abstimmung immer noch blutige Anschläge. So kamen bei am 11. Dezember 2007 bei Bombenanschlägen auf das Gebäude der Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR 26 Menschen ums Leben Zu diesem und weiteren Anschlägen bekannte sich die „al-Qaida des Islamischen Maghreb“ Wie in anderen algerischen Großstädten war der Wohnungsmangel in Algier ein Problem, was 2011 in Algier zu Protesten führte. An diesen Protesten des Arabischen Frühlings nahmen jedoch meist weniger als 10.000 Bewohner Algiers teil
Algier heutzutage
Algier ist die wichtigste Industriestadt Algeriens, vor allem mit der Leder- und Textilindustrie, der Verarbeitung von Erdöl und der Herstellung von Metallwaren. Zudem befindet sich hier die größte Börse Algeriens. Die allermeisten landwirtschaftlichen Betriebe in der Umgebung Algiers befinden sich in Privatbesitz, wobei die wichtigsten Produkte Getreide, Zuckerrüben, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Tomaten, Oliven, Datteln, Feigen, Tabak, Wein und Zitrusfrüchte sind. Kritisch zu sehen ist die immer noch bestehende große Wohnungsnot und der schlechte Zustand der Strom-, Wasser- und Abwasserversorgung. Die wenigen Kläranlagen sind oft außer Betrieb, sodass das Abwasser aus der Industrie und den Haushalten meist ungereinigt ins Mittelmeer gelangt. Die Luftverschmutzung und die Zersiedlung historisch bedeutender Areale zerstören viele Kulturdenkmäler Algiers.
Die Stadt ist außerdem der bedeutendste Verkehrsknotenpunkt des Landes, darunter ist auch der Flughafen Algier. Wegen der günstigen Lage und des modernen Hafens ist sie ein Zentrum der Aus- und Einfuhr von diversen Waren. Fähren verkehren von Algier nach Spanien, Frankreich und Italien. Es gibt eine internationale Eisenbahnstrecke nach Tunesien, außerdem gibt es Straßenverbindungen nach Tunesien, Libyen, dem Niger, Mali und Mauretanien (Stand 2025). Im Jahr 2009 wurde die S-Bahn eröffnet, dem folgte im Oktober 2011 die Eröffnung der U-Bahn. Zudem nahm im Mai 2011 eine Straßenbahnlinie ihren Betrieb auf. Es gibt außerdem fünf Seilbahnen in der Stadt.
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