Überblick
Bei der lymphatischen Filariose handelt es sich um eine tropische Infektionskrankheit, die in erster Linie das Lymphsystem betrifft.
Infolge der mit der Krankheit verbundenen massiven Lymphstauungen wird lymphatische Filariose häufig als "Elephantiasis" (griech. elephas = Elefant) bezeichnet.
Unter diesen Begriff fallen jedoch auch andere Erkrankungen, die mit massiven Lymphödemen nichtinfektiöser Ursache einhergehen.
Name der Erkrankung | Lymphatische Filariose |
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Weitere Bezeichnungen | Elephantiasis |
Unterformen | Wuchereriose (Wuchereria bancrofti) Brugiose (Brugia malayi, Brugia timori) |
Vorkommen/Häufigkeit | Wuchereria bancrofti: Afrika, Süd- und Südostasien (v.a. Indien), Pazifik, Zentral- und Südamerika Brugia malayi: Süd- und Ostasien (v.a. Indien) Brugia timori: Indonesien Schätzungen zufolge gibt es 120 Millionen Infizierte, davon mehr als 40 Millionen Erkrankte |
Ursachen | Infektion mit Würmern |
Erreger | Filarien (Filariida): Wuchereria bancrofti, Brugia malayi, Brugia timori |
Familie | Nematoda (Fadenwürmer) |
Übertragungsweg | Stich durch Mücken |
Risikofaktoren, Risikogruppen | Männer |
Inkubationszeit | Monate bis Jahre |
Krankheitszeichen (Symptome) | akute Phase: allgemeines Unwohlsein, akute Entzündung von Lymphknoten und Lymphgefäßen, unregelmäßig wiederkehrende Fieberschübe, Ansteigen eosinophiler weißer Blutkörperchen (Eosinophilie), allergischer Husten, asthmatische Beschwerden chronische Phase: Abflussbehinderung im Lymphgefäßsystem mit Erweiterung von Lymphgefäßen, Lymphödeme mit massiven Schwellungen von Lymphknoten, Gliedmaßen, Genitalien und Brust ("Elephantiasis") |
Komplikationen | extreme Schwellungen von Gliedmaßen, Genitalien oder Brust ("Elephantiasis") |
Diagnose | meist aufgrund der Symptome im Zusammenhang mit Eosinophilie und Antikörpern im Blut Nachweis von Erregern im Blut |
Therapie | Wurmmittel (v.a. Diethylcarbamazin) |
Verlauf, Prognose | chronische Verläufe entwickeln sich innerhalb vieler Jahre und treten deshalb überwiegend im Erwachsenenalter auf; bei rechtzeitiger Therapie gute Heilungsaussichten |
Vorsichtsmaßnahmen (Prophylaxe) | Schutz vor Mückenstichen |
Ursachen/Erreger
Ursache für lymphatische Filariose ist eine Infektion mit Würmern, sog. Filarien (Filariida).
Filarien (lat. filum = Faden) sind Würmer (Helminthen) und gehören zur Familie der Fadenwürmer (Nematoden). Weltweit kommen verschiedene Filarienarten vor, die unterschiedliche Krankheiten beim Menschen auslösen können (z.B. Onchozerkose, Loaose). Die bedeutsamsten Erreger der lymphatischen Filariose sind:
- Wuchereria bancrofti: Verursacht Wuchereriose (Filariosis bancrofti); ist in Afrika, Süd- und Südostasien (v.a. Indien), Zentral- und Südamerika sowie im Pazifik verbreitet.
- Brugia malayi: Verursacht Brugiose (Filariosis malayi); ist in Süd- und Ostasien (v.a. Indien) verbreitet.
- Brugia timori: Verursacht Brugiose; kommt ausschließlich in Indonesien vor.
Filarien haben eine fadenförmige Gestalt. Die Länge von Wuchereria bancrofti bzw. den Brugia-Arten variiert zwischen zwei und zehn Zentimetern, wobei die Weibchen größer sind als die Männchen.
Übertragungs- bzw. Ansteckungswege
Überträger von Wuchereria bancrofti bzw. Brugia malayi und timori sind Stechmücken (v.a. Anopheles). Sie übertragen die Erreger im Stadium sog. Mikrofilarien. Hierbei handelt es sich um Larven, die nur 0,2 - 0,3mm lang sind. Im menschlichen Organismus siedeln sich diese Larven in den Lymphgefäßen und Lymphknoten an. Hier entwickeln sie sich zu geschlechtsreifen Würmern, die weitere Mikrofilarien erzeugen. Etwa drei Monate (Brugia-Arten) bzw. sieben bis acht Monate (Wuchereria bancrofti) nach der Infektion wandern die Mikrofilarien zum ersten Mal ins Blut des Infizierten. Dies geschieht vorwiegend nachts (nachtperiodische Filarien). Wird ein Infizierter von einer Mücke gestochen, werden die Mikrofilarien von dem Insekt durch dessen Saugrüssel aufgenommen. In der Brustmuskulatur der Mücke reifen sie zu infektionsfähigen Larven heran. Anschließend werden sie bei der nächsten Blutmahlzeit der Mücke an einen Menschen weitergegeben - der Kreislauf beginnt von vorn.
Stechmücken stellen für die Erreger der lymphatischen Filariose somit eine Art Zwischenwirt dar, der Mensch ist ihr Endwirt. Im Endwirt können erwachsene Filarien vier bis sechs Jahre überleben. Sie erzeugen in dieser Zeit Millionen von Mikrofilarien, die sich in den Lymphgefäßen, Lymphknoten und im Blut des Infizierten aufhalten.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit, d.h. die Zeit zwischen dem Beginn der Infektion (Stich der Mücke) und dem Auftreten von Krankheitszeichen, variiert bei lymphatischer Filariose zwischen einem Monat und mehreren Jahren.
Krankheitszeichen (Symptome)
In vielen Fällen leiden Infizierte unter keinerlei Beschwerden. Sie sind jedoch Träger der Filarien und stellen somit eine potenzielle Infektionsquelle dar.
Akute Phase
Heranwachsende oder erwachsene Filarien können bei den Betroffenen entzündlich-allergische Reaktionen im Lymphsystem hervorrufen. Zeichen dieser Prozesse sind geschwollene Lymphknoten, erweiterte Lymphgefäße und unregelmäßig wiederkehrende Fieberschübe, die jeweils einige Tage andauern können. Nicht selten treten auch Husten und asthmatische Beschwerden bei den Patienten auf. Als Zeichen der akuten Wurmerkrankung kommt es im Blut zu einer Zunahme eosinophiler weißer Blutkörperchen (Eosinophilie) und der Bildung spezieller Antikörper.
Chronische Phase
Der langjährige Befall von Filarien führt zu dauerhaften Schäden in den Lymphgefäßen. Der Abfluss der Lymphflüssigkeit wird dadurch behindert. Die Lymphgefäße und Lymphknoten erweitern sich krankhaft ("Lymphvarizen"). Lymphe tritt in das umliegende Gewebe ein, wobei sich sog. Lymphödeme bilden. In der Folge entstehen extreme Schwellungen der Gliedmaßen, der Genitalien und der Brust ("Elephantiasis").
Diagnose
Da lymphatische Filariose in unseren Breiten eher ungewöhnlich ist, spielt die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese), vor allem im Hinblick auf Auslandsaufenthalte in tropischen Gebieten, eine entscheidende Rolle für die Diagnosestellung.
Die auftretenden Symptome lassen in vielen Fällen auf das Vorliegen einer Filariose schließen. Im Blut von Infizierten findet sich als Zeichen der akuten Wurmerkrankung meist eine Erhöhung eosinophiler weißer Blutkörperchen (Eosinophilie) und spezieller Antikörper. Ebenso ist es möglich, in bestimmten Stadien der Infektion Mikrofilarien im Blut nachzuweisen. Die Blutproben müssen nachts entnommen werden, da die Würmer dann bevorzugt ins Blut ausschwemmen.
Therapie
Eine Infektion mit Filarien kann mit Wurmmitteln (Antihelminthika) behandelt werden. Diese entfalten ihre Wirkung im Blut und töten die Würmer ab. Als besonders effektiv hat sich in der Vergangenheit der Einsatz von Diethylcarbamazin erwiesen. Die Behandlungsdauer variiert zwischen einer einmaligen Gabe und zwölf Tagen und ist vom Einsetzen des Therapieerfolgs abhängig. Mitunter können Mikrofilarien, die sich im Lymphgewebe eingekapselt haben, die Therapie überleben. Aus diesem Grund muss sie in manchen Fällen wiederholt werden.
Bei schweren Lymphödemen und stark geschwollenen Gliedmaßen oder Genitalien sind chirurgische Maßnahmen notwendig, um den Lymphstau zu beseitigen.
Um in Regionen mit häufigem Vorkommen von Filarien die Durchseuchung der einheimischen Bevölkerung zu bekämpfen, startet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) immer wieder großangelegte Behandlungskampagnen mit entsprechenden Wurmmitteln. Durch solche Aktionen soll der Infektionskreislauf zwischen dem Menschen und der Mücke unterbrochen werden.
Alternative BehandlungsmöglichkeitenWirksame alternative Behandlungsmöglichkeiten sind bei lymphatischer Filariose nicht bekannt.
Verlauf, Prognose
In Gegenden mit Filarien-Vorkommen entwickeln sich die chronischen Beschwerden der lymphatischen Filariose unter der einheimischen Bevölkerung in der Regel erst nach vielen Jahren. Schwere Krankheitszustände mit extremen Schwellungen von Armen, Beinen oder Genitalien werden daher vor allem in der Altersgruppe der 20- bis 40-Jährigen beobachtet. Bei eingereisten Personen treten die Symptome einer chronischen Filariose dagegen häufig schon innerhalb des ersten Jahres nach Infektionsbeginn auf.
Die Schwellungen von Gliedmaßen oder Genitalien können im Krankheitsverlauf enorme Ausmaße annehmen und sind für die Betroffenen eine erhebliche Belastung. Wird rechtzeitig die Behandlung mit Diethylcarbamazin begonnen, bestehen allerdings gute Heilungsaussichten.
Vorkommen, Häufigkeit
Lymphatische Filariose ist in tropischen und subtropischen Regionen der Welt weit verbreitet. Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind rund 120 Millionen Menschen mit den Erregern der Krankheit infiziert, von denen ca. 40 Millionen akute oder chronische Beschwerden haben. Etwa ein Drittel der Infizierten lebt in Indien, ein weiteres Drittel in Afrika.
Risikofaktoren/Risikogruppen
Bei Männern werden häufiger schwerere Komplikationen einer lymphatischen Filariose beobachtet als bei Frauen.
Vor allem im Genitalbereich treten bei ihnen oft ernsthafte Schädigungen durch die Krankheit auf. So sind in Gebieten mit starken Filarienvorkommen 10-50% der erwachsenen männlichen Bevölkerung davon betroffen.
Impfungen
Eine wirksame Impfung zur Vorbeugung von lymphatischer Filariose existiert nicht.
Die einzige Möglichkeit, einer Infektion mit Filarien vorzubeugen, ist ein wirksamer Schutz vor Mückenstichen.
- Kleidung
Reisende in Risikogebiete sollten ihren Körper grundsätzlich mit langer, fester Kleidung bedecken. Um die Schutzwirkung der Textilien zu erhöhen, können diese genau wie Moskitonetze mit Insektensprays behandelt werden. - Moskitonetze
Bevorzugt angewendet werden heute mit Insektenmitteln imprägnierte Moskitonetze aus Kunststoff, da diese leichter und nicht so anfällig für Feuchtigkeit sind wie Baumwollnetze. Wichtig ist eine Maschengröße von nicht mehr als 1,2 x 1,2 mm bzw.180-200 mesh/square inch (Maschen/Quadratzoll). Das Moskitonetz sollte den Körper nicht berühren, rundum unter der Matratze fixiert sein oder - bei Hängematten - rundum fest auf dem Boden aufliegen (ausreichend langes Netz mit Erdstreifen). - Raumschutz
Wirkungsvolle Mittel zum Insektenschutz in Räumen sind Fliegengitter vor sämtlichen Raumöffnungen sowie Insektizide (Räucherspiralen, Insektizidverdampfer, Insektensprays). Ultraschallgeräte haben sich in der Mückenbekämpfung als wirkungslos erwiesen. - Repellents (mückenabweisende Mittel)
Repellents haben eine abweisende Wirkung auf Mücken oder andere Insekten. Sie werden auf die Haut aufgetragen, wobei verschiedene Wirkstoffe in unterschiedlichen Darreichungsformen (Sprays, Lotionen, Gele, Cremes) zur Verfügung stehen. Die meisten heutzutage verwendeten Repellents sind für den Menschen wohlriechend und haben gute Gebrauchseigenschaften. Übel riechende, klebrige Substanzen gehören eher der Vergangenheit an. Die Wirkstoffe unterscheiden sich in Effektivität, Wirkspektrum und Wirkdauer. So haben Sprays z.B. generell eine kürzere Wirkdauer als andere Darreichungsformen. Für Kinder stehen spezielle Repellents zur Verfügung.
Es ist ratsam, mückenabweisende Mittel erst nach anderen Hautpflege- oder Sonnenschutzmitteln aufzutragen, damit sie nicht überdeckt werden. Auch der Kontakt mit Wasser (Schwimmen, starkes Schwitzen) kann die Wirksamkeit der Mittel herabsetzen. Schleimhautkontakt sollte vermieden werden, spezielle Hinweise auf Unverträglichkeiten sowie mögliche Materialschäden an Kunststoffen sind gesondert zu beachten.
Chemoprophylaxe
Eine medikamentöse Vorbeugung von Infektionen mit Filariose-Erregern ist derzeit nicht möglich.
Es existieren verschiedene Berichte über alternative Vorsichtsmaßnahmen, deren Wirkung jedoch nicht hinreichend gesichert oder teilweise sogar widerlegt ist. So werden bestimmte ätherische Öle als Repellents empfohlen. Diese sind jedoch nicht zuverlässig wirksam. Aufgrund der starken Verbreitung der lymphatischen Filariose ist von Experimenten bezüglich alternativer Vorsichtsmaßnahmen eher abzuraten.
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