Bilharziose

Bilharziose, auch Schistosomiasis oder Schistosomose genannt, bezeichnet eine Gruppe von Wurm-Erkrankungen bei Menschen und Tieren, die durch verschiedene Arten von Pärchenegeln ausgelöst wird. Sie betrifft in erster Linie den Darm und die Harnblase, seltener auch andere Organe. Der Name der Erkrankung "Bilharziose" stammt von dem deutschen Tropenarzt Theodor Bilharz (1825-1862). Er entdeckte im Jahre 1852 den Erreger der Bilharziose des Harntraktes.
Die Bezeichnung "Schistosomiasis" (griech. schistós = getrennt; soma = Körper) geht auf die äußere Gestalt der Krankheitserreger zurück.

Name der Erkrankung Bilharziose
Weitere Bezeichnungen Schistosomiasis, Schistosomose
Unterformen Bilharziose des Harntraktes
Bilharziose des Darms
Bilharziose der Leber
Vorkommen/Häufigkeit tropische und subtropische Gebiete in Afrika, Südamerika, Asien
weltweit gibt es ca. 200 Millionen Infizierte
Ursachen Infektion mit Würmern
Erreger Schistosoma (Pärchenegel)
z.B. Schistosoma haematobium: Bilharziose des Harntraktes
Schistosoma mansoni: Bilharziose des Darms und der Leber
Schistosoma japonicum: Bilharziose des Darms und der Leber
Schistosoma intercalatum: Bilharziose des Darms
Familie Trematoda (Saugwürmer)
Übertragungsweg Kontakt mit Erregern im Süßwasser
Risikofaktoren, Risikogruppen Schwangere
Kinder und jüngere Erwachsene
Inkubationszeit 3-10 Wochen
Krankheitszeichen (Symptome) Penetrationsphase: mitunter rote, juckende Flecken oder Papeln an der Eintrittsstelle der Erreger
akute Phase: Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Husten, Juckreiz, Schmerzen im Oberbauch, Durchfall, Schwellung von Leber, Milz und Lymphknoten
chronische Phase: Befall verschiedener Organe, z.B. Harnblase, Darm, Leber, Lunge und Zentralnervensystem mit entsprechenden Symptomen, "Badedermatitis"
Komplikationen lebensbedrohliche Organschäden wie Leber- und Nierenversagen, Lungenentzündung, Epilepsie, Erblindung
erhöhtes Risiko für Harnblasenkrebs
Diagnose Nachweis von Wurmeiern im Stuhl, Urin oder in Gewebeproben aus Darm- bzw. Harnblasenwand
Antikörpertest im Blut
Therapie Behandlung der akuten Symptome (z.B. fiebersenkende Mittel)
Wurmmittel, v.a. Praziquantel
Verlauf, Prognose führt unbehandelt häufig zum Tod; bei rechtzeitiger Therapie gute Heilungsaussichten
Vorsichtsmaßnahmen (Prophylaxe) hygienische Maßnahmen (Trinkwasseraufbereitung, sanitäre Anlagen)
Bekämpfung der Zwischenwirte der Erreger
Baden in Binnengewässern vermeiden

Ursachen/Erreger
Die Ursache für Bilharziose ist eine Infektion mit Pärchenegeln (Schistosoma). Pärchenegel (Schistosoma, veraltet: Bilharzia) sind Würmer (Helminthen) und gehören zur Familie der Saugwürmer (Trematoden).
Saugwürmer haben eine ovale bis lanzettförmige Gestalt. Sie verfügen über zwei Haftorgane, einen Mund- und einen Bauchsaugnapf.
Die männlichen Pärchenegel bilden mit den Seitenrändern ihres Körpers eine Art Rinne, in der die fadenförmigen Weibchen eingeschlossen sind. Der Körper der Männchen erscheint deshalb längsgespalten, wodurch die Würmer ihren Namen "Schistosoma" (griech. schistós = getrennt; soma = Körper) erhalten haben. Die bedeutsamsten beim Menschen vorkommenden Schistosoma-Arten sind:

  • Schistosoma haematobium: Verursacht Bilharziose des Harntraktes; ist in Afrika und im Mittelmeerraum verbreitet
  • Schistosoma mansoni: Verursacht Bilharziose des Darms; ist in Afrika, im Mittelmeerraum, in der Karibik und im tropischen Südamerika verbreitet
  • Schistosoma japonicum: Verursacht Bilharziose des Darms und der Leber; ist in Südostasien, Ostasien und im Westpazifik verbreitet
  • Schistosoma intercalatum: Verursacht Bilharziose des Darms; ist in Zentralafrika verbreitet.

Übertragungs- bzw. Ansteckungswege
Pärchenegel durchlaufen verschiedene Entwicklungsstadien. Den Menschen befallen sie als Schwanzlarven, sog. Zerkarien (griech. kérkos = Schwanz). In diesem Stadium schwimmen sie im Wasser von Seen und Bächen umher und dringen bei Kontakt mit einem Menschen innerhalb weniger Minuten in dessen Haut und die darunter liegenden Gewebe ein. Von dort aus gelangen sie über Blut- und Lymphgefäße in die Leber, wo sie sich zu geschlechtsreifen Würmern entwickeln. Sie paaren sich und legen Eier ab. Ein Teil der Eier gelangt in den Darm oder die Harnblase der Infizierten und wird mit dem Kot bzw. Urin ausgeschieden. Aus ihnen schlüpfen bewimperte Larven, sog. Mirazidien (griech. meirakídion = Knabe, Bürschchen), die von Süßwasserschnecken aufgenommen werden. In den Schnecken wandeln sich die Mirazidien zu Zerkarien um. Die Zerkarien wiederum werden von den Schnecken ausgeschieden und gelangen auf diese Weise zurück ins Wasser. Der Infektionsweg beginnt von vorn.
Süßwasserschnecken stellen für den Pärchenegel somit eine Art Zwischenwirt dar, der Mensch ist ihr Endwirt. Im Endwirt überleben die einzelnen Pärchenegel durchschnittlich zwei bis fünf Jahre, einzelne sogar 20-30 Jahre.

Inkubationszeit
Die Inkubationszeit, d.h. die Zeit zwischen dem Beginn der Infektion (Eindringen der Zerkarien) und dem Auftreten von Krankheitszeichen, variiert bei Bilharziose zwischen drei und zehn Wochen.

Krankheitszeichen (Symptome)
Bilharziose verläuft in drei Stadien:

Penetrationsphase
Das Eindringen (Penetration) in die Haut wird von vielen Betroffenen gar nicht bemerkt. Mitunter treten an der Eintrittsstelle rote, juckende Flecken oder Papeln auf, die nach einigen Tagen wieder verschwinden.
Akute Phase
Etwa drei bis zehn Wochen nach dem Eindringen der Schwanzlarven in die Haut beginnt die akute Phase der Erkrankung. Die Betroffenen leiden unter verschiedenen Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Husten, Juckreiz, Schmerzen im Oberbauch und Durchfall. Leber, Milz und Lymphknoten sind geschwollen. Im Blut der Infizierten steigen die sog. eosinophilen weißen Blutkörperchen als Zeichen der akuten Wurmerkrankung an (Eosinophilie).
Chronische Phase
Die von den Pärchenegeln abgelegten Eier werden durch das Blut in verschiedene Organe geschwemmt. Sie sondern Substanzen ab, die zu dauerhaften Entzündungen führen - die Erkrankung wird chronisch. Je nachdem, welche Organe in der Hauptsache betroffen sind, werden folgende Formen der Bilharziose und die entsprechenden Symptome beobachtet:
  • Bilharziose des Harntraktes:
    Verursacht durch Schistosoma haematobium;
    Bildung von Geschwüren, Wucherungen und Verkalkungen der Harnblasenwand, Verengung der Harnröhre;
    Häufiger Harndrang, Ausscheidung von Blut im Urin.
  • Bilharziose des Darms:
    Verursacht v.a. durch Schistosoma mansoni, Schistosoma japonicum, Schistosoma intercalatum;
    Bildung von Knötchen und gutartigen Tumoren (Papillomen) in der Darmschleimhaut, chronische Entzündungen des Dick-, seltener auch des Dünndarms;
    Blutig-schleimige Durchfälle.
  • Bilharziose der Leber:
    Verursacht v.a. durch Schistosoma mansoni, Schistosoma japonicum;
    Ist häufig mit Darmbilharziose assoziiert;
    Vergrößerung von Leber und Milz, Leberstauung, Bildung von Bauchwasser (Aszites) und Krampfadern in der Speiseröhre (Ösophagusvarizen), später Leberzirrhose.
  • Befall weiterer Organe:
    Bei allen Schistosomen-Arten möglich;
    Lunge: chronische Bronchitis;
    Niere: Störungen der Nierenfunktion;
    Zentralnervensystem: Störungen der Hirnfunktion, Epilepsie;
    Haut: Auftreten großflächiger Entzündungen mit Rötung, Juckreiz und der Bildung von Quaddeln und Papeln ("Badedermatitis").

Diagnose
Da Bilharziose in unseren Breiten eher ungewöhnlich ist, spielt die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese), vor allem im Hinblick auf Auslandsaufenthalte in tropischen Gebieten, eine entscheidende Rolle für die Diagnosestellung.
Einige Wochen nach der Infektion ist der Nachweis von Wurmeiern im Stuhl bzw. Urin möglich. Auch in Gewebeproben (Biopsie) aus der Darm- bzw. Harnblasenwand lassen sich die Eier der Pärchenegel feststellen. Als Antwort auf die Infektion mit Schistosomen bildet das Immunsystem spezifische Antikörper, die im Blut nachgewiesen werden können.

Therapie
Zunächst werden die akuten Symptome des Patienten behandelt, z.B. durch fiebersenkende und schmerzstillende Maßnahmen. Die Infektion selbst kann in allen Stadien der Erkrankung mit speziellen Wurmmitteln (Antihelminthika) behandelt werden. Diese Mittel wirken sowohl im Darm als auch im Blut und töten die Würmer ab. Als besonders effektiv erwies sich in der Vergangenheit der Einsatz von Praziquantel, das bei allen Bilharziose-Formen angewendet werden kann und nur wenige Nebenwirkungen verursacht. Bei Infektionen mit Schistosoma mansoni ist alternativ eine Behandlung mit Oxamniquin möglich. Infektionen mit Schistosoma haematobium können außerdem mit Metrifonate behandelt werden.

Verlauf, Prognose
Bilharziose verläuft nach einem akuten Anfangsstadium so gut wie immer chronisch. Durch die Ablagerung von Wurmeiern in verschiedenen Organen kommt es zu dauerhaften Entzündungen und Schädigungen mit verschiedenen, teilweise lebensbedrohlichen Komplikationen wie Leber- und Nierenversagen, Lungenentzündung, Epilepsie oder Erblindung. Auch die Entstehung bösartiger Tumoren der Harnblase wird mit Bilharziose in Verbindung gebracht. So ist nach Beobachtungen der International Agency for Research on Cancer die Erkrankungsrate an Blasenkrebs in manchen Gebieten Afrikas 32-mal höher als z.B. in den USA.
Unbehandelt führt Bilharziose nicht selten zum Tod der Betroffenen. Wird rechtzeitig mit einer adäquaten Behandlung der Erkrankung begonnen, bestehen allerdings gute Heilungsaussichten.

Vorkommen, Häufigkeit
Bilharziose ist nach Malaria die bedeutsamste Infektionskrankheit in tropischen und subtropischen Ländern. Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind rund 200 Millionen Menschen mit Schistosoma infiziert, von denen ca. 120 Millionen akute oder chronische Beschwerden haben. Etwa 15.000 Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen der Erkrankung.

Risikofaktoren/Risikogruppen

  • Schwangere
    Während der Schwangerschaft ist Bilharziose besonders problematisch. Das gegen alle Erreger der Krankheit wirksame Medikament Praziquantel scheint zwar - umfangreichen Untersuchungen zufolge - ungefährlich für das ungeborene Kind zu sein. Dennoch wird vor allem in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten zur Vorsicht bei der Anwendung von Praziquantel geraten. Da die Substanz in die Muttermilch übertritt, sollten Säuglinge einer behandlungsbedürftigen Mutter während der Therapie anderweitig ernährt werden.
  • Kinder und jüngere Erwachsene
    In Gebieten mit hohen Infektionsraten erkranken Kinder und jüngere Erwachsene bis zum 35. Lebensjahr besonders häufig an einer Bilharziose. Ältere Menschen dagegen entwickeln - in der Regel durch eine vorangegangene, frühere Infektion - einen gewissen Immunschutz gegen die Ausbildung von Krankheitssymptomen. Sie bleiben allerdings Träger des Erregers und scheiden die Eier aus. Die Mechanismen dieses teilweisen Immunschutzes sind noch nicht vollständig aufgeklärt.

Impfungen
Aufgrund der Vielzahl von Bilharziose-Erregern ist eine einheitliche Impfung gegen die Erkrankung nicht möglich. Verschiedene Impfstoffe befinden sich derzeit in Erprobung. So wurden in Frankreich, Niger und dem Senegal in ersten klinischen Studien ein Impfstoff gegen Schistosoma haematobium getestet.

Expositionsprophylaxe
Um die Verbreitung der Bilharziose einzudämmen, sind in erster Linie hygienische Maßnahmen notwendig. So können Gewässer durch den Bau sauberer sanitärer Einrichtungen von menschlichen Ausscheidungen freigehalten und Trinkwasser durch Aufbereitungsanlagen gereinigt werden. Es wird versucht, die Zahl der Zwischenwirte der Erreger (Schnecken) in den betroffenen Gebieten zu vermindern - zum einen mit chemischen Mitteln, zum anderen durch die Beseitigung von Ufervegetation.
Reisenden in tropische und subtropische Gebiete wird geraten, das Baden in Binnengewässern grundsätzlich zu vermeiden.

Chemoprophylaxe
Eine medikamentöse Vorbeugung von Infektionen mit Pärchenegeln ist derzeit nicht möglich.

Vorsichtsmaßnahmen, Ernährung
Trinkwasser - auch Leitungswasser - sollte in Gebieten mit Bilharziose-Vorkommen grundsätzlich abgekocht, mit entsprechenden Mitteln entgiftet oder durch Filtration gereinigt werden. Beim Kauf von Wasserflaschen ist auf den Originalverschluss zu achten, da die Flaschen in manchen Ländern nach ihrem Erstgebrauch nicht selten mit Leitungswasser wieder aufgefüllt werden.

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