Sind deutsche Städte digital?

Deutschlands Städte gelten international als Orte mit hoher Lebensqualität, gutem Nahverkehr und einer stabilen Verwaltung. Doch wenn es um digitale Strukturen geht, zeigt sich ein zwiespältiges Bild. Während einige Metropolen wie Hamburg, München oder Köln gezielt Smart-City-Projekte umsetzen, kämpfen andere Kommunen noch mit der Digitalisierung ihrer Verwaltung oder einer stabilen Netzabdeckung. Die Frage, ob deutsche Städte wirklich digital sind, lässt sich daher nicht pauschal beantworten – sie verlangt nach einer differenzierten Betrachtung.

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die Bundesregierung hat mit der „Digitalstrategie 2030“ klare Ziele formuliert: Behörden sollen papierlos arbeiten, Städte sollen über intelligente Verkehrs- und Energiesysteme verfügen, und Bürger sollen ihre Anliegen digital erledigen können. Doch die Realität in vielen Städten sieht anders aus. Zwar gibt es digitale Bürgerportale, Online-Terminvergaben oder elektronische Bauanträge, doch häufig hapert es an der technischen Infrastruktur, der Umsetzungsgeschwindigkeit und der Nutzerfreundlichkeit. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass sich nur rund 47 Prozent der deutschen Städte auf einem guten Weg zur vollständigen Digitalisierung sehen. Besonders kleinere Kommunen beklagen fehlende Mittel, Know-how und personelle Kapazitäten.

Gleichzeitig zeigen sich in anderen Branchen längst funktionierende digitale Prozesse. Im E-Commerce, bei Online-Banken, in Mobilitätsdiensten oder selbst in Bereichen der Unterhaltung wie beim digitalen Glücksspiel, wo Nutzer heute selbst wenig einzahlen und sofort Transaktionen durchführen können, sind Abläufe weitgehend automatisiert, sicher und benutzerfreundlich gestaltet. Diese Sektoren verdeutlichen, wie reibungslos digitale Systeme funktionieren können, wenn Infrastruktur, Schnittstellen und Nutzerzentrierung konsequent zusammenspielen.

Selbst alltägliche digitale Dienstleistungen, die in anderen Ländern längst Standard sind, stoßen hierzulande noch auf Widerstände. Während man in Estland Grundbucheinträge, Wahlen und Steuererklärungen online abwickelt, müssen deutsche Bürger in vielen Städten noch immer persönlich im Amt erscheinen, um Dokumente zu unterschreiben oder Formulare einzureichen. Das zeigt, dass Digitalisierung in Deutschland weniger ein technologisches, sondern vielmehr ein strukturelles Problem ist.

Zwischen Glasfaser und Smart Mobility

Die Lebensqualität einer Stadt bemisst sich zunehmend auch an ihrer digitalen Infrastruktur. Glasfaseranschlüsse, 5G-Abdeckung, digitale Verwaltung, intelligente Verkehrssteuerung und Open-Data-Angebote sind Indikatoren einer modernen Smart City. Hier zeigen sich große Unterschiede:
• Hamburg gilt als Vorreiter, wenn es um Smart Mobility und digitale Bürgerdienste geht.
Die Hansestadt nutzt Sensorik in der Verkehrsplanung, testet autonome Shuttle-Busse und bietet
über das Portal Serviceportal Hamburg hunderte Online-Dienste an.
• München setzt stark auf Open Data und ermöglicht Start-ups den Zugang zu städtischen Informationen,
etwa über Energieverbrauch oder Verkehrsdichte.
Berlin kämpft dagegen weiterhin mit digitalen Altlasten. Die Verwaltung arbeitet noch an der
Vereinheitlichung ihrer IT-Systeme – ein Prozess, der sich seit Jahren hinzieht.
• Kleinere Städte wie Ulm oder Pforzheim zeigen,
dass Innovation auch außerhalb der Metropolen stattfinden kann. Sie nutzen digitale Zwillinge, also
virtuelle Stadtmodelle, um Energieflüsse und Bauprojekte effizienter zu planen.

Verwaltung im Umbruch

Ein zentraler Baustein der Digitalisierung ist das E-Government, also die digitale Verwaltung. Ziel ist es, Bürgern und Unternehmen die Interaktion mit Behörden zu erleichtern. Doch Deutschland hinkt hier hinterher. Das sogenannte Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, Verwaltungsleistungen digital anzubieten. Bis Ende 2024 sollten rund 575 Leistungen online verfügbar sein, von der Kfz-Zulassung über die Meldebescheinigung bis hin zur Geburtsurkunde. Tatsächlich sind davon bisher nur rund 60 Prozent flächendeckend umgesetzt.

Die Gründe liegen in der föderalen Struktur Deutschlands. Jede Stadt, jedes Bundesland und jede Behörde arbeitet mit eigenen IT-Systemen, Formaten und Zuständigkeiten. Die Folge: Schnittstellenprobleme, unklare Zuständigkeiten und hohe Kosten. Ein Beispiel: In Köln können Bürger ihre Personalausweise online beantragen, in Düsseldorf müssen sie hingegen persönlich erscheinen. Solche Unterschiede widersprechen dem Grundgedanken eines digitalen, einheitlichen Verwaltungsraums. Dabei ist das Potenzial enorm. Laut einer aktuellen Studie könnten durch konsequente Digitalisierung von Verwaltungsprozessen jährlich bis zu 40 Milliarden Euro eingespart werden, und das ist Geld, das in Bildung, Klimaschutz oder Infrastruktur fließen könnte.

Digitale Bürgernähe durch Apps, Plattformen und Transparenz

Digitale Städte sind nicht nur effizienter, sondern auch transparenter. Bürgerbeteiligung, Open-Data-Portale und digitale Stadtplanung schaffen neue Formen der Mitgestaltung. Plattformen wie „Frankfurt fragt mich“ oder „München Transparent“ ermöglichen Einwohnern, Ideen einzubringen, Vorschläge zu kommentieren oder städtische Projekte zu verfolgen.

Auch im öffentlichen Nahverkehr wird Digitalisierung spürbar: Echtzeitdaten für Busse und Bahnen, bargeldloses Ticketing oder intelligente Ampelschaltungen verbessern den Alltag. Die Stadt Darmstadt setzt etwa auf eine Plattform, die Verkehrsströme in Echtzeit analysiert, um Staus zu vermeiden. Darüber hinaus werden Umweltsensoren immer wichtiger. In Stuttgart messen sie Feinstaub und Stickoxide, um kurzfristige Verkehrsbeschränkungen auszulösen. Solche Projekte zeigen, dass digitale Technologien direkt zu einer besseren Lebensqualität beitragen können.

Allerdings bleibt die Frage: Wie digital ist der Bürger selbst? Laut einer Studie des Statistischen Bundesamts nutzen 86 Prozent der Deutschen das Internet täglich, aber nur rund 40 Prozent nehmen regelmäßig digitale Verwaltungsdienste in Anspruch. Das Vertrauen in digitale Prozesse ist also noch ausbaufähig.

Ausblick: Was Städte jetzt brauchen

Ob deutsche Städte wirklich digital sind, hängt weniger von der Technik als von politischem Willen, Koordination und Bürgerakzeptanz ab. Die Infrastruktur existiert, doch es fehlt häufig an einheitlicher Umsetzung. Entscheidend für die Zukunft sind drei Aspekte:
1. Interoperabilität: Systeme von Bund, Ländern und Kommunen müssen miteinander kommunizieren können. Nur dann wird Verwaltung digital effizient.
2. Digitale Bildung: Bürger müssen befähigt werden, digitale Dienste sicher und kompetent zu nutzen.
3. Nachhaltige Finanzierung: Ohne langfristige Budgets bleibt Digitalisierung Stückwerk.

In der Praxis zeigt sich, dass Digitalisierung nur dann erfolgreich ist, wenn sie Teil einer größeren Vision ist. Städte wie Tallinn, Wien oder Kopenhagen beweisen, dass digitale Verwaltung, offene Daten und Bürgernähe keine Gegensätze sind.

Für Deutschland bedeutet das: Der nächste Schritt darf nicht nur darin bestehen, Prozesse zu digitalisieren, die aus der analogen Welt stammen. Vielmehr müssen Städte neue, digitale Denkweisen etablieren, von intelligentem Energiemanagement über algorithmische Verkehrssteuerung bis hin zu datengestützter Stadtplanung.
Sind deutsche Städte wirklich digital? Die Antwort lautet: Noch nicht vollständig – aber sie sind auf dem Weg dorthin.

Ob Bürger, Unternehmen oder Verwaltung, Digitalisierung betrifft alle Ebenen des städtischen Lebens. Sie entscheidet darüber, wie zukunftsfähig Deutschland bleibt. Und vielleicht auch darüber, ob die deutsche Stadt der Zukunft nicht nur modern aussieht, sondern sich auch so anfühlt: effizient, vernetzt, transparent und wirklich digital.

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