Rokoko

Einleitung

Die Epoche des Rokokos fand in Frankreich Anfang des 18.Jahrhunderts ihren Ursprung. Die Blütezeit lag etwa zwischen 1720 bis 1780. Der Name Rokoko lehnt sich an das französische Wort für Muschel- und Grottenwerk, Rocaille, an. Die reiche Ornamentik und Dekoration an Bauten und Möbeln sowie dessen elegante, heitere Leichtigkeit ist beispielhaft für das Rokoko, das sich jedoch auf keine allgemeingültige Kunsttheorie stützt.

Der Stil des Rokokos fand seine Bestimmung vorwiegend in der adligen höfischen Kultur. Durch sein heiteres und spielerisches Auftreten wurde das Rokoko zum Ideal der adligen und aristokratischen Oberschicht. Auf Grund der aufkommenden Neigung zum Privaten und Intimen verlagerten sich künstlerische Akzente vorwiegend auf die Gestaltung der Innenräume und des darin befindlichen Mobiliars. Besonders das Kunstgewerbe fand zur Zeit des Rokokos seine Blüte.
Abbildungen und Kupferstiche des Rokokoelements Rocaille gelangten von Frankreich aus nach Deutschland und beeinflussten das deutsche Kunstempfinden. Während der Stil sich in Frankreich meist auf die Dekoration der Adelspalais in Paris bezog, kam der Stil des Rokokos in Deutschland neben der Schlossarchitektur auch für den Kirchenbau zur Anwendung und konnte sich auch zeitlich länger als in dem Nachbarland halten, wo der nüchterne Klassizismus das fröhliche Rokoko ablöste. Die Schwerpunkte der Rokokoarchitektur liegen in Frankreich und Deutschland, in anderen europäischen Ländern trifft man den Architekturstil gar nicht oder nur selten an. Die Rokokomalerei fand ihre Blüte jedoch neben Frankreich auch in Italien und England.

Rokokoarchitektur

Die Entwicklung des Rokokos als neuer Architekturstil lässt sich als Reaktion auf den pompösen, erhabenen Stil des französischen absolutistischen König Louis (Ludwig) XIV. (1638-1715) verstehen, dessen Macht jegliche Gebiete des Lebens und der Kunst durchdrungen hatte. Nach der repräsentativen, würdevollen Größe der Architektur des 17.Jahrhunderts sehnte man sich in der Baukunst des Rokokos nach mehr Intimität und Leichtigkeit.

Allmählich entwickelten sich im 18.Jahrhundert neue Anforderungen an die Architektur heraus. Sie sollte elegant, bequem und besonders in der Innenausstattung komfortabel sein. So kam es im Rokoko zu einer herausragenden Beachtung des Interieurs, wobei die einzelnen Künste, wie Bildhauerei, Malerei und Kunsthandwerk zu einem regelrechten Gesamtkunstwerk beitrugen. Voraussetzung für eine zeitgemäße Empfindung von Harmonie war die detaillierte Gestaltung der Gesamtanlage und die passende Zusammenfügung der einzelnen Details. Das natürliche Umfeld der Bauten fand im Rokoko folglich zunehmend Beachtung. Ein Ideal war der vom Menschen angelegte Garten, der dem Stil des Rokokos angepasst wurde. Regelmäßig angelegte Wege, säuberlich geschnittene Büsche und Bäume sowie architektonische Elemente, wie Brücken, Treppen, Fontänen und Statuen waren dabei äußerst beliebt.

In Frankreich versuchte sich der Hochadel in seinen Pariser Stadtwohnungen gegenseitig in künstlerischer Raffinesse zu übertreffen. Die Innenräume, die der Besitzer nach seinem eigenen Geschmack gestaltete, waren für ein intimes und komfortables Wohnen angelegt. Im Gegensatz zum ausschließlich Repräsentativen des Barock, trennte man im Rokoko den privaten Bereich der Wohnung von einem öffentlichen, dem Besuch zugänglichen Bereich ab.

Auf Grund der angepassten Funktionalität an das Gesamtbauwerk wurden die Proportionen und Ausmaße zierlicher, die Aufteilung der Architekturelemente leichter. Aufmerksamkeit kam nicht nur dem Gesamtbau, sondern auch dem einzelnen Detail und der Dekoration zu. So wurden Fenster, die durch feine ornamentale Rahmung auffallen, und Außenbauplastiken als dekorative Bereicherung des Gebäudes angesehen, die eine Wand leichter und aufgelöster erscheinen lassen sollten.
Der eigentliche Reiz der Rokokoarchitektur lag und liegt jedoch in der eher zurückhaltenden Fassadengestaltung und der hoch entwickelten Raumdekoration.

Raumgestaltung

Als Dekorationselement des Rokokos entwickelte sich die Rocaille, ein Ornament in Muschelform, heraus und wurde in vielen unterschiedlichen Variationen an der Außenfassade, in der Raumgestaltung sowie im Kunsthandwerk und der Malerei verwendet. Die Rocaille ist folglich das stilprägende Element des Rokokos. Sie findet ihren Ursprung in den Grotten und Gartensälen des 17.Jahrhunderts, die oftmals mit Muscheln dekoriert wurden. Das Rocailleornament des Rokokos geht jedoch weit über die Muschelform hinaus.

S-Kurven und C-Schwünge bestimmen die Form der Rocaille. Sie tritt am häufigsten an Übergängen auf, so dass Raumgrenzen und in den Räumen befindliche Ecken aufgelöst werden. Durch diese rankende und züngelnde Ornamentik wird ein musikalisch schwingender Charakter des Gesamtwerks erreicht. Während am Außenbau das Dekorationselement nur zögerlich eingesetzt wurde, gibt es bei der Innenraumgestaltung im Rokoko keine Grenzen. Die Rokokofassade wirkt durch rhythmisch gegliederte Bauteile und eine natürliche, meist einheitliche Farbgebung. Der Innenraum jedoch wurde mit allen Möglichkeiten an Farbe und Ornamentik gestaltet.

Der Malgrund der Innenräume ist meist ein strahlendes Weiß, während die Rocaille häufig in Gold und die Wand- und Deckenmalereien in hellen, heiteren Farben gehalten sind. Um den Reichtum des Raums und seine Vielfältigkeit noch zu steigern, wurden teilweise Spiegel zwischen der Malerei und der großzügigen Rocaille angebracht. Stimmung und Raumempfinden variieren in den festlichen Rokokosälen mit der Tageszeit und dem Lichteinfall.

Zur Innenausstattung des Rokokos gehören zudem verschiedene kostbare Materialien, wie Parkett, Seide und Stickereien, Silber und Gold, Perlmutt und Perlen sowie Lack und Porzellan. Besonders beliebt waren auch Kerzenständer aus Glas. Kommoden, Tischchen, Fauteuils und Chaiselongues sind die typischen Rokokomöbel, aber auch Bibliotheken, die in künstlerischer Weise gestaltet sind waren zeitgemäß. Die gesamte Möbelkunst erreichte zur Zeit des Rokokos ihre volle Entfaltung.

In allen Gebieten des Rokokos wandte man sich von der barocken Schwere ab, um eine Leichtigkeit in Dekorationselementen und Möbeln, wie auch Mode und Lebensgefühl zu erzielen.

Bildende Kunst

Skulptur
Die Monumentalskulptur fand ihre Anwendung nur als Dekorationselement im Bereich des Gartens. Eine eigenständige Skulptur findet man im Rokoko nicht. Sie kommt vielmehr als Schmuck in der Innen-, wie Außenarchitektur vor. Die Skulptur gliedert sich in Material, raffinierter Erscheinung und bildhauerischer Meisterleistung in das architektonische Gesamtkunstwerk des Rokokos ein. Wichtig sind hierbei die kleinen Details, wie Rocaille und Dekorationselemente, die die Grundform der Plastik umspielen und ihr einen märchenhaften Charakter verleihen. Für die Ausstattung der Aristokratenwohnungen wurden kleine Statuetten und Portraitbüsten aus Blei, Bronze, Marmor oder Porzellan gebildet. Die so genannten Nippes, zierliche, bemalte Figuren, waren zur Zeit des Rokokos sehr beliebt und wurden aus Porzellan, dem Lieblingsmaterial des Rokokos, hergestellt.
Etwa um 1710 wurde in Meißen die erste und berühmteste Porzellanmanufaktur gegründet, wo neben Geschirr und Gefäßen in allerlei Formen und Arten, auch die beliebten Nippesfiguren produziert wurden. Auch chinesisches Porzellan war im Rokoko in Mode und wurde eigens aus Asien nach Europa importiert.
Als skulpturales Element zählt zudem der Stuck, ein Gemisch aus Gips, Sand, Kalk und Wasser, der in frischem Zustand beliebig formbar ist. Er kam im Innen-, wie am Außenbau reichhaltig zur Anwendung, wobei die Rocaille, mit ihrem S- und C-Schwüngen als Leitmotiv fungierte.

Malerei

Die Rokokomalerei verzichtete, wie auch die Rokokoskulptur, auf große, pathetische Bildthemen, die zur Zeit des Barock üblich waren. Bevorzugt wurden kleine Formate, zarte Farben und Pastelltöne sowie friedliche Darstellungen der Natur, naive Liebesszenen, heitere Feste inmitten der Natur, Dorf- und Landschaftsdarstellungen sowie Portraits und Frauenbildnisse.
Die Malerei des Rokokos wollte heitere, freudige Gefühle darstellen und diese ebenso beim Betrachter auslösen. Die Pastellkreide, die eine sanfte, zarte Farbwirkung ergibt, eignete sich besonders gut für diese Intention und wurde, wie das Porzellan in der Skulptur, zu dem wesentlichen Stilmittel der Rokokomalerei.
Zu den bedeutendsten Vertretern des Rokoko zählen die Franzosen Antoine Watteau (1684-1721), der die Ideale der kultivierten Rokokogesellschaft meisterhaft in seinen Werken verkörperte, Jean-Honore Fragonard (1732-1806), Francois Boucher (1703-1770), Jean Baptiste Simeon Chardin (1699-1779) und M. Quentin de la Tour (1593-1652). Zu den englischen herausragenden Malern gehören William Hogarth (1697-1764), Joshua Reynolds (1723-1792) und Thomas Gainsborough (1727-1788). In Italien sind die Künstler Pietro Longhi (1702-1785), Canaletto (1697-1768), Francesco Guardi (1712-1793) als Vertreter der Rokokomalerei bekannt, wobei der Venezianer Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770) zu den bedeutendsten Malern des Rokoko zählt.

Rokoko in Deutschland

Während sich in Frankreich der Stil vorwiegend auf die Architektur der Aristokratie bezog, wurden in Deutschland zudem Rokokokirchen gebaut und folglich ein eigener deutscher Typus der Rokokoarchitektur entwickelt. Im Profanbau nahm man sich jedoch allgemein ein Beispiel an dem barocken Schloss von Versailles in Frankreich. Der Bau von Schloss Sanssouci (1745-1747) in Potsdam für Friedrich den Großen (1712-1786), gebaut von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699-1753), macht die Bezugnahme deutlich. Zu den stilprägenden Bauten des Rokokos in deutschem Raum zählt auch der Dresdener Zwinger. Das zwischen 1711 und 1722 errichtete Bauwerk war für August den Starken (1670-1733), den Kurfürsten von Sachsen, von Matthäus Daniel Pöppelmann (1662-1736) gebaut worden. Es war für glanzvolle Festlichkeiten des Hofes bestimmt. Der Wallpavillon des Zwingers wurde nach einem für das Rokoko typischen Schema, mit rundem Mittelpavillon und zwei niedrigen Flügeln, errichtet. Auch die skulpturale Gestaltung ist beispielhaft für das Rokoko.

Der achteckige Sonnentempel der Neuen Eremitage in Bayreuth wurde als Orangerie oder Menagerie in den Jahren 1749-1753 erbaut. Er steht frei von den beiden niedrigen Seitenflügeln und ist somit beispielhaft für die Auflockerung der Bauanlage und die dekorative Gliederung der einzelnen Bauelemente zur Zeit des Rokokos.

Die Amalienburg im Park von Schloss Nymphenburg, errichtet zwischen 1734 und 1739, besticht durch die herausragende Rokokoinnenarchitektur. Als weiteres Beispiel für eine einzigartige Innenraumgestaltung lässt sich der Kaisersaal (1737-1741) der Residenz in Würzburg anführen, sowie das Cuviliestheater (1750-1753) in der Münchener Residenz.

Die reichsten Rokokobauten findet man jedoch in Süddeutschland auf dem Gebiet der Sakralarchitektur. An diesen Bauten arbeiteten Baumeister, Stuckateure, Maler, Tischler und Schnitzer Hand in Hand zusammen und führten ihr Vorhaben zur Vollendung. Die heitere Gewissheit auf die paradiesischen Freuden im Jenseits findet in den süddeutschen Rokokokirchen ihren Ausdruck. Beispielhaft hierfür sind die Wallfahrtskirche in Wies von Dominikus Zimmermann (1685-1766), die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen von Johann Balthasar Neumann (1687-1753) und die Klosterkirche Ottobeuren mit der Innengestaltung von Johann Michael Feichtmayr (1696-1772).