Gämsen

Systematische Einteilung

Gämsen sind für den Europäer die kletterfreudigen Tiere der Alpen. Aber sie kommen nicht nur dort vor, man findet sie sogar in Neuseeland, wohin man sie mitgebracht und ausgewildert hatte.

Ordnung Paarhufer (Artiodactyla)
Familie Hornträger (Bovidae)
Gattung Gämsen (Rupicapra)
Art Rupicapra rupicapra


Ausländische Bezeichnungen
  • Englisch: Chamois
  • Französisch: Chamois

Einleitung

Die Gämse ist ein häufig anzutreffender Bewohner unserer Alpen. Allerdings sind sie sehr menschenscheu und entziehen sich den Blicken der Wanderer. Nur durchs Fernglas lassen sich die Kletterkünste der geschickten Tiere beobachten. Obwohl es verschiedene, für den Kenner gut zu unterscheidende Ausprägungsformen der Gämse gibt, werden sie im Allgemeinen einer Art zugerechnet.
Auf eine Auflistung der Unterarten wird hier verzichtet. Der Gamsbart, den der Jäger an seinem Hut trägt, wird übrigens nicht aus dem Bart der Gämse gewonnen, denn sie besitzt keinen, sondern aus den langen Borsten entlang der Wirbelsäule. Eine große Gefährdung der Gämsen geht von dem steigenden Tourismus aus. Bergsteiger und vor allem Wintersportler und die damit einhergehenden Rettungs- und Übungsflüge vertreiben die empfindsamen Tiere.

Liftanlagen und festgefahrene Skipisten, teilweise künstlich beschneit, zwingen die Tiere sich in ungünstigere Gegenden mit schlechterem Nahrungsangebot zurück zu ziehen. Dies macht in vielen Gebieten eine zusätzliche Fütterung im Winter notwendig. Da die Tiere zudem sehr seuchenanfällig sind, ist eine durch die Futterstellen verursachte Zusammenballung stets mit einem großen Risiko verbunden.

Vorkommen

Gämsen leben in den Gebirgen Mittel- und Südeuropas sowie Kleinasiens. Im Schwarzwald, in den Vogesen, auf der Schwäbischen Alb und im Elbsandsteingebirge, sowie in Neuseeland wurden sie vom Menschen ausgewildert. In den Pyrenäen lebt die Pyrenäen-Gämse, die von einigen Wissenschaftlern als eigene Art angesehen wird.

Merkmale

Die Männchen (Böcke) und Weibchen (Geißen) der Gämsen sind äußerlich kaum zu unterscheiden. Sie erreichen eine Körperlänge von 110 bis 130 cm und eine Schulterhöhe von 70 bis 85 cm. Der kurze, dichtbehaarte Schwanz ist 10 bis 15 cm lang. Die etwas leichteren Geißen erreichen ein Gewicht von 15 bis 50 kg, während die Böcke 20 bis 60 kg auf die Waage bringen. Beide Geschlechter tragen die hakenförmig nach hinten gekrümmten Hörner. Hinter den Hörnern sitzen behaarte Duftdrüsen (Brunftfeigen), die einen intensiven Geruch verströmen und von beiden Geschlechtern zum Markieren an Stämmen und Ähnlichem eingesetzt werden. Das lange Winterfell mit der dichten Unterwolle ist schwarzbraun gefärbt, im Gegensatz zum kürzeren, rotbraunen bis dunkelgelben Sommerfell. Nur im Sommer ist der schwarze Aalstrich erkennbar, der vom Nacken bis zur Schwanzwurzel läuft. Der Kopf mit den spitzen Ohren und den großen, seitlich liegenden Augen ist gelblich-weiß gefärbt und trägt einen braunen Augenstreif. Die Lebensdauer beträgt 15 bis 20 Jahre.

Lebensweise und Lebensraum

Gämsen besiedeln die Gebirgslagen von 1000 bis 3500 m Höhe. Man trifft sie im Wald an, genauso wie im offenen, felsigen Gelände. Vor allem im Winter ziehen sich die Tiere in tiefe Regionen zurück, während sie im Sommer wieder hoch hinauf steigen. Dank ihres gedrungenen Körperbaus und der speziellen Architektur ihrer Hufe sind sie hervorragende Kletterer.

Die Kanten der Hufe sind ausgesprochen Hart, die Sohlenpolster in der Mitte aber elastisch. So sind sie perfekt an ein Leben in Fels und Gestein angepaßt und verhindern ein Abrutschen in unwegsamem Gelände. Bei Gefahr stößt die Gams durch die Nase einen schrillen Alarmpfiff aus und ist auf der Flucht in der Lage einen Höhenunterschied von 1.000 Metern (bergauf) in wenigen Minuten zu überwinden. Gämsen sind reine Pflanzenfresser und ernähren sich von Gräsern, Kräutern, jungen Trieben, Blättern, Rinde, Moosen und Pilzen.

Die warme Jahreszeit nutzen sie, um sich eine ordentliche Fettreserve für den kargen Winter anzufressen. Die Geißen mit ihren Jungtieren sowie die Jungböcke leben in Rudeln zusammen, ältere Böcke sind hingegen in der Regel Einzelgänger. Während der Brunftzeit zwischen Oktober und Januar sind die Altböcke besonders unverträglich. Sie streifen auf der Suche nach den Geißen umher oder besetzen spezielle Brunftplätze. In dieser Zeit lassen sie das sogenannte Blädern hören, ein Grunzlaut, der mit geöffnetem Maul ausgestoßen wird. Andere Böcke werden aggressiv vertrieben, wobei die Hörner energisch eingesetzt werden. Hetzjagden spielen in diesen Auseinandersetzungen eine große Rolle und meist entscheidet sich ein solcher Kampf ohne dass Verletzungen auftreten. Im Paarungsritual folgt der Bock der Geiß, bis sie schließlich anhält und ihn aufreiten läßt. Nach einer Tragezeit von etwa 6 Monaten vertreibt sie ihr vorjähriges Jungtier (Jährling) und sondert sich vom Rudel ab. Geschütz in einer Felsnische oder umgeben von niedrigem Kiefernwuchs bringt die Muttergeiß 1 Junges (Kitz), in seltenen Fällen 2 Junge zur Welt. Das Kitz kann fast unmittelbar nach der Geburt auf eigenen Beinen stehen und ist wenige Stunden später in der Lage zu laufen. Nach einigen Tagen schließen sich Geiß und Kitz dem Rudel wieder an und auch der Jährling darf wieder in ihre Nähe. Das Neugeborene wird rund 3 Monate lang gesäugt, beginnt aber bereits nach 2 Wochen an Gräsern und Kräutern zu knabbern. Wenn die Mutter erneut wirft, wird auch dieser Jährling vertrieben, bleibt aber im Schutz des Rudels.

Feinde

Die vielerorts ausgerotteten Arten: Nordluchs, Wolf, Braunbär, Steinadler und Bartgeier sind in der Lage eine ausgewachsene Gämse zu erbeuten. Die Kitze können zudem auch Opfer von Rotfuchs, Dachs, Kolkrabe und Uhu werden.

Besonderheiten

Im Gegensatz zu Rehen und Hirschen, die ein Geweih besitzen, tragen Gämsen, Steinböcke und Mufflons Hörner. Auf der Stirn bilden sich zwei Knochenzapfen, die anfangs mit Haut überzogen sind. Die Haut über den zeitlebens wachsenden Zapfen verhornt, so dass auch die Hörner immer länger werden. Im Gegensatz zum Geweih wird das Gehörn nie abgeworfen.

Die zu den Paarhufern gehörenden jagdbaren Wildarten bezeichnet der Jäger als Schalenwild. Ihren Namen gaben ihnen die verhornten Hufe, die als Schalen bezeichnet werden. Zum Schalenwild gehören neben den Gämsen, auch noch Rehe, Hirsche, Damhirsche, Mufflons, Steinböcke und Wildschweine. Das männliche Tier heißt Bock, das weibliche Geiß, das frisch geborene Junge Kitz und das Kitz des Vorjahres Jährling. Die Hörner nennt der Jäger Krukken, die Ohren Lauscher und die dunklen Augenstreifen Zügel.